Das Bundesverwaltungsgericht hat entschieden, dass eine Industrie- und Handelskammer in ihrer Satzung keine generelle Höchstaltersgrenze für alle öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen festsetzen darf.
Sachverhalt:
Der heute 75 Jahre alte Kläger war von der beklagten IHK bis zum Erreichen der in ihrer Sachverständigenordnung (SVO) vorgesehenen Höchstaltersgrenze von 68 Jahren zum öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen für die Sachgebiete „EDV im Rechnungswesen und Datenschutz“ sowie „EDV in der Hotellerie“ bestellt worden. Diese Bestellung war nach der Sachverständigenordnung einmal bis zur Vollendung des 71. Lebensjahres verlängert worden. Der Antrag des Klägers auf weitere Verlängerung der Bestellung wurde von der Beklagten abgelehnt. Die dagegen gerichtete Klage blieb in den Vorinstanzen und zunächst auch beim Bundesverwaltungsgericht erfolglos. Nach Aufhebung dieser Entscheidung durch das Bundesverfassungsgericht hat das Bundesverwaltungsgericht nunmehr dem Begehren des Klägers entsprochen.
Die Entscheidung:
Die generelle Altersgrenze stellt eine nach dem allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) unzulässige Benachteiligung wegen des Alters dar und ist deshalb unwirksam.
Das mit der Satzungsregelung verfolgte Ziel, einen geordneten Rechtsverkehr sicherzustellen, ist kein legitimes Ziel nach § 10 AGG, das eine unterschiedliche Behandlung wegen des Alters rechtfertigen könnte. Dazu zählen nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes nur sozialpolitische Ziele, insbesondere aus den Bereichen Beschäftigungspolitik, Arbeitsmarkt und berufliche Bildung. Das Lebensalter steht auch nicht im Sinne von § 8 Abs. 1 AGG in innerem Zusammenhang mit einer besonderen Anforderung an die Art der beruflichen Betätigung; denn die Tätigkeit als Sachverständiger in den Sachgebieten, für die der Kläger seine Bestellung begehrt, stellt keine besonderen Anforderungen, die – bei entsprechender Vorbildung und Erfahrung – nur Jüngere erfüllen können. Schließlich wird die Altersgrenze auch nicht durch den in Art. 2 Abs. 5 der europäischen Gleichbehandlungsrichtlinie 2000/78/EG enthaltenen Sicherheitsvorbehalt legitimiert. Die Festlegung der Altersgrenze in der Sachverständigenordnung dient jedenfalls in den Sachgebieten, für die der Kläger seine Bestellung begehrt, insbesondere nicht den Erfordernissen der öffentlichen Sicherheit, der Verhütung von Straftaten oder dem Schutz der Rechte und Freiheiten anderer.
Praxisfolgen:
Der Dachverband der Industrie- und Handelskammer, der DIHK, hat seine Mustersachverständigenordnung, die den einzelnen Industrie- und Handelskammern als Vorlage für die Gestaltung ihres Satzungsrechtes dient, zwischenzeitlich dahingehend abgeändert, das künftig alle drei Altersgrenzen (30., 62. und 68. Lebensjahr) ersatzlos entfallen sollen. Bisher sollen Sachverständige vor der Vollendung des 30. Lebensjahres nicht öffentlich bestellt werden können; eine erstmalige Bestellung nach Vollendung des 62. Lebensjahres soll nicht zulässig sein. Ob und ggf. in welcher Weise die einzelnen Industrie- und Handelskammern diese Vorschläge aus der Mustersatzung umsetzen werden, bleibt abzuwarten.