Verwaltungsrecht

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Zweifel an Vereinbarkeit der Studienplatzvergabe nach Wartezeit mit dem Grundgesetz

Das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen hat dem Bundesverfassungsgericht die Frage vorgelegt, ob die Regelungen zur Vergabe von Studienplätzen nach Wartezeit gegen das Grundrecht auf freie Berufswahl und dem allgemeinen Gleichheitsgrundsatz verstoßen.

 

Sachverhalt

Eine Klägerin und zwei Kläger aus Nordrhein-Westfalen, Berlin und Niedersachsen hatten sich zum Wintersemester 2011/12 bei der Stiftung für Hochschulzulassung (früher ZVS) jeweils um einen Studienplatz für Humanmedizin beworben. Trotz der inzwischen erreichten Wartezeit von 6 Jahren erhielten sie keine Zulassung zum Studium.

 

Mit der Klage machen sie geltend, dass die Wartezeit von inzwischen 13 Semestern die Dauer des Studiums überschreite.

 

Die Entscheidung

Wie bereits in vorhergehenden Verfahren vorläufigen Rechtsschutzes sah das Verwaltungsgericht vor dem Hintergrund entsprechender Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts zum Numerus clausus aus den 70er Jahren die Grenze des verfassungsrechtlich Zulässigen überschritten, da auch Bewerber mit schwächeren Abiturnoten zumindest eine realistische Chance auf Zulassung haben müssten. Dies sei bei Wartezeiten von mehr als 6 Jahren nicht mehr der Fall. Hinzu komme, dass im derzeitigen Auswahlverfahren der Abiturnote ein erhebliches Gewicht zukomme und rund ¾ der Abiturienten eines Jahrgangs keine Chance auf Zulassung allein aufgrund ihrer Abiturnote hätten. Wegen der hohen Bedeutung der Abiturnote im derzeitigen Auswahlsystem gewinnen nach Auffassung des Verwaltungsgerichts auch geringfügige Notenunterschiede in den Durchschnittabiturnoten der Bundesländer ein Gewicht, das zu einer sachlich nicht mehr gerechtfertigten Ungleichbehandlung der Studienbewerber führe. Eine Kompensation dieser systembedingten Ungleichbehandlung durch die Zulassung über die Wartezeit sei aufgrund der langen und voraussichtlich weiter steigenden Wartezeit mit dem nachrangigen Auswahlkriterium der Abiturnote nicht mehr gewährleistet.

 

Da die Frage der Verfassungswidrigkeit des im Staatsvertrag zur Vergabe von Studienplätzen durch die Stiftung für Hochschulzulassung geregelten Auswahlverfahrens für den Ausgang des vorliegenden Rechtsstreits entscheidend ist, hat das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen beschlossen, das Verfahren auszusetzen und nach Artikel 100 GG die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes hierzu einzuholen.

 

In einem weiteren Verfahren einer Klägerin aus Schleswig-Holstein zum Studiengang Tiermedizin hat das Verwaltungsgericht die Verhandlung vertagt, um den Sachverhalt weiter aufklären zu können.

 

Praxisfolgen

Wegen der hohen Bedeutung der Abiturnote im derzeitigen Auswahlsystem hat ein Großteil der Abiturienten eines Jahrgangs keine Chance auf eine Zulassung.

 

Das Bundesverfassungsgericht wird sich nun konkret mit der Frage befassen, ob eine Grundrechtsverletzung vorliegt, wenn ein Studienbewerber 6 Jahre auf einen Studienplatz im Fach Medizin gewartet hat und noch immer nicht studieren darf.
Sollte es einen Verfassungsverstoß bejahen, wird die bisherige Praxis der Studienplatzvergabe nicht mehr haltbar sein.

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