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I./2022 Newsletter Arbeitsrecht

Nachdem eine als Krankenschwester angestellte und auf einer Intensivstation eingesetzte Mitarbeiterin in Streit mit ihrer Arbeitgeberin über den Umgang mit den zum Eigen- und Fremdschutz bei der Arbeit am Patienten ständig zu tragenden FFP2- Masken geraten war, wurde sie auf eine andere Station versetzt, wo sich die Maskentragungsfrage nicht in gleicher Weise stellte. Die gegen die Versetzung gerichtete Klage blieb in beiden Instanzen erfolglos. Nachdem die Klägerin nach eingelegter Berufung erneut versetzt worden war, wies das Landesarbeitsgericht die Berufung der Klägerin als schon deshalb unbegründet zurück, weil sich ihr Rechtsmittelbegehren durch diese neue Versetzung überholt habe. Es gehe der Klägerin um die Klärung eines vollständig neuen Sachverhalts, der zunächst der ersten Instanz vorbehalten sei.

LAG Hamm, 06.01.2022 – 18 Sa 726/21 – juris.

 

Bei der begehrten Freistellung eines Betriebsratsmitglieds von der Arbeitspflicht im Einzelfall handelt es sich um eine nicht vermögensrechtliche Streitigkeit, die nach § 23 Abs. 3 S. 2 RVG zu bemessen ist. Eine Schulungsveranstaltung von fünf Seminartagen ist in der Regel mit dem Anknüpfungswert zu veranschlagen. Bei kürzeren Veranstaltungen ist zeitratierlich zu kürzen. Der Anspruch des Betriebsrats auf Freistellung von den ihm durch die Teilnahme eines Betriebsratsmitglieds an einer Schulungsveranstaltung entstehenden Kosten (Seminargebühren, Übernachtungs- und Reisekosten) ist vermögensrechtlich und in Höhe der bezifferten Forderung zu bewerten.

LAG Baden-Württemberg, 11.01.2022 – 5 Ta 96/21 – juris.

 

Dem bei einem Kurierdienst als Rider beschäftigten Kläger war mit der Begründung gekündigt worden, er habe sich an einem illegalen Streik beteiligt. Der Kläger hat im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes seine weitere tatsächliche Beschäftigung verlangt und geltend gemacht, er müsse auch vor der bisher noch ausstehenden Entscheidung des Arbeitsgerichts über diese Kündigung vorläufig weiterbeschäftigt werden. Die Kündigung sei nämlich offensichtlich unwirksam, weil er Mitglied des Wahlvorstandes für die anstehende Betriebsratswahl gewesen sei. Das Landesarbeitsgericht hat dem Antrag des Riders für die Zeit bis zum Ablauf der vereinbarten Befristung seines Arbeitsverhältnisses anders als zuvor das Arbeitsgericht stattgegeben und ausgeführt, der erforderliche Verfügungsanspruch und Verfügungsgrund lägen vor. Es sei von einer offensichtlichen Unwirksamkeit der außerordentlichen Kündigung auszugehen. Der Arbeitnehmer sei gemäß den von ihm glaubhaft gemachten Angaben zum maßgeblichen Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung Mitglied des Wahlvorstandes gewesen und werde damit von dem besonderen Kündigungsschutz nach § 15 Abs. 3 KSchG erfasst, sodass die für eine Kündigung gemäß § 103 Abs. 2 BetrVG erforderliche vorherige gerichtliche Zustimmungsersetzung nicht vorliege.

LAG Berlin, Beschluss vom 12.01.2022 – 23 SaGa 1521/22 –  juris.

 

Nimmt ein Arbeitnehmer während der Corona-Pandemie im Eigentum des Arbeitgebers stehende und nicht für ihn bestimmte medizinische Masken an sich und dabei billigend in Kauf, dass diese Masken seinen Arbeitskollegen vorenthalten werden, die ebenso um ihre Gesundheit besorgt waren, kann dieses Verhalten „an sich“ als typischer Grund für eine außerordentliche Kündigung in Betracht kommen.

ArbG Bocholt – Urteil vom 14.01.2022, 2 Ca 595/21.

 

Die rechtswidrige Mitnahme eines Bürostuhls von dem im Home-Office eingesetzten Mitarbeiter kann eine außerordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses rechtfertigen. In der konkreten Situation reichte die Mitnahme des Bürostuhls aber als Kündigungsgrund nicht aus, weil die Arbeitgeberin der Tätigkeit im Homeoffice generellen Vorrang vor der Präsenztätigkeit im Büro eingeräumt hatte und die dafür notwendige Ausstattung nicht zur Verfügung stellen konnte.

ArbG Köln, Urteil vom 18.01.2022 – 16 Ca 4198/21 – juris.

 

Wird ein Kündigungsschreiben per Einwurf-Einschreiben übersendet und legt der Absender den Einlieferungsbeleg und die Reproduktion des Auslieferungsbeleges mit der Unterschrift des Zustellers vor, spricht der Beweis des ersten Anscheins für den Zugang des Schreibens beim Empfänger.

LAG Schleswig-Holstein, Urteil vom 18.01.2022 – 1 Sa 159/21 – juris.

 

Enthält der Arbeitsvertrag Allgemeine Geschäftsbedingungen, die ausschließlich Pflichtverletzungen des Arbeitnehmers mit Vertragsstrafe bedrohen, während gleichwertige Pflichtverletzungen des Arbeitgebers nicht entsprechend sanktioniert sind, kann dies zu einer unangemessenen Benachteiligung des Arbeitnehmers führen.

Sächsisches LAG, Urteil vom 24.01.2022 – 1 Sa 345/21 – juris.

 

Das Bundesarbeitsgericht hat den EuGH im Rahmen eines Vorabentscheidungsersuchens wegen der Frage angerufen, welche Sanktion ein Verstoß gegen § 17 Abs. 3 S. 1 KSchG nach sich ziehe. Aufgrund eines Stilllegungsbeschlusses fanden bei der Arbeitgeberin Verhandlungen über den Abschluss eines Interessenausgleichs und Sozialplans und in Verbindung damit auch das im Fall einer Massenentlassung gem. § 17 Abs. 2 KSchG erforderliche Konsultationsverfahrens statt. Der Agentur für Arbeit wurden entgegen § 17 Abs. 3 S. 1 KSchG keine Abschriften der das Konsultationsverfahren einleitenden und and en Betriebsrat gerichteten Mitteilung gem. § 17 Abs. 2 KSchG übermittelt. Die Arbeitnehmerin, der nach Erstattung der Massenentlassungsanzeige gekündigt worden war, hat in dem Kündigungsschutzverfahren geltend gemacht, die unterlassene Mitteilung der an den Betriebsrat gerichteten Mitteilung an die Agentur für Arbeit verstoße gegen § 17 Abs. 3 S. 1 KSchG, weshalb es an einer Wirksamkeitsvoraussetzung für die ihr gegenüber ausgesprochene Kündigung fehle.

BAG, 27.01.2022 – 6 AZR 155/21 (A) – BAG-Pressemitteilung Nr. 4/22

 

Die einem Arbeitnehmer im Zeitraum einer angeordneten Quarantäne anfallenden bewilligten Urlaubstage sind analog § 9 BUrlG seinem Arbeitszeitkonto gutzuschreiben.

LAG Hamm, Urteil vom 27.01.2022 – 5 Sa 1030/11 – juris.

 

Dem als Leiter des Gesundheitsamtes der Stadt Düsseldorf tätigen Kläger wird vorgeworfen, Notarztdienste durchgeführt zu haben, die seine auf der Grundlage einer Honorarvereinbarung ebenfalls für die Stadt Düsseldorf als Ärztin tätige Ehefrau abgerechnet hat, obwohl er auf der Grundlage seines Arbeitsvertrages ebenfalls zur Durchführung von Notarztdiensten verpflichtet ist. Das Arbeitsgericht hat seine Kündigungsschutzklage mit der Begründung zurückgewiesen, er sei den Vorwürfen seiner Arbeitgeberin nicht konkret entgegengetreten, obwohl ihm eine eindeutige Erklärung dazu, ob er die Dienste für seine Frau geleistet hat, aus eigener Wahrnehmung möglich gewesen wäre. Deshalb sei der von der Arbeitgeberin vorgetragene Sachverhalt als zugestanden im Sinne der Vorschrift des § 138 Abs. 3 ZPO zu bewerten.

ArbG Düsseldorf, Urteil vom 28.01.2022 – 11 Ca 4335/21 – juris.

 

Die als Polizeiärztin tätige Klägerin hatte in einer Kleinanzeige die Änderung des Infektionsschutzgesetzes vom 18.11.2020 mit dem „Ermächtigungsgesetz“ vom 23.03.1933 gleichgesetzt. Das Landesarbeitsgericht hat die gegen die ordentliche Kündigung erhobene Kündigungsschutzklage mit der Begründung zurückgewiesen, die Klägerin habe gegen ihre Rücksichtnahmepflicht auf die Interessen des beklagten Landes verstoßen, insbesondere gegen die Pflicht, sich zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes zu bekennen.

LAG Baden-Württemberg, Urteil vom 02.02.2022 – 10 Sa 66/21 – juris.

 

Ein Arbeitnehmer mit Behinderung – und zwar auch derjenige, der nach seiner Einstellung eine Probezeit absolviert – , der für ungeeignet erklärt wird, die wesentlichen Funktionen seiner bisherigen Stelle zu erfüllen, kann auf der Grundlage der Richtlinie 2000/78 einen Anspruch auf Verwendung an einem anderen Arbeitsplatz haben, für den er die notwendige Kompetenz, Fähigkeit und Verfügbarkeit aufweist; eine solche Maßnahme darf den Arbeitgeber jedoch nicht unverhältnismäßig belasten. Die Möglichkeit, eine Person mit Behinderung an einem anderen Arbeitsplatz zu verwenden, setzt aber voraus, dass es zumindest eine freie Stelle gibt, die der betreffende Arbeitnehmer einnehmen kann.

EuGH, Urteil vom 10.02.2022 – C – 485/20 – juris

 

§ 9 BUrlG ist nicht analog auf den Fall der Anordnung einer Quarantäne anzuwenden.

LAG Schleswig-Holstein, Urteil vom 15.02.2022 – 1 Sa 208/21 – juris

 

Nach dem die Arbeitsvertragsparteien die Auflösung des Arbeitsverhältnisses bei mehrmonatiger bezahlter Freistellung und Zahlung einer Abfindung i.H.v. 264.800,00 € vereinbart hatten, forderte die Arbeitgeberin diesen Abfindungsbetrag mit der Begründung zurück, der Aufhebungsvertrag sei gemäß § 74 Abs. 3 LPVG NW unwirksam, weil sie den Personalrat nicht ausreichend über die Inhalte des Aufhebungsvertrages informiert und keine Angaben zur Höhe der Abfindung gemacht habe. Nachdem die Arbeitgeberin in erster Instanz noch gewonnen hatte, unterlag sie beim Landesarbeitsgericht Hamm. Die mangelhafte Beteiligung des Personalrates gehe auf Versäumnisse der Arbeitgeberin zurück, weshalb sich diese auch nicht auf die Unwirksamkeit des Aufhebungsvertrages wegen Verstoßes gegen § 74 Abs. 3 LPVG NW berufen könne. Auch sei in dem Abschluss des Aufhebungsvertrages kein Verstoß gegen Strafgesetze oder gegen die guten Sitten erkennbar. Allein aus einem Vergleich zu den Gepflogenheiten öffentlicher Arbeitgeber könne im Hinblick auf die Höhe der gezahlten Abfindung keine Unwirksamkeit des Aufhebungsvertrages hergeleitet werden.

LAG Hamm, Urteil vom 15.02.2022 – 6 Sa 903/21 – juris

 

Ein tarifvertraglich festgelegter Anspruch auf einen arbeitsfreien bezahlten Tag, der an die Stelle des Anspruchs auf ein tarifliches Zusatzgeld tritt, wird nicht erfüllt, wenn der Arbeitnehmer am Freistellungstag arbeitsunfähig erkrankt ist.

BAG, Urteil vom 23.02.2022 – 10 AZR 99/21 – (BAG-Pressemitteilung Nr. 7/22)

 

Die Arbeitgeberin hatte der seit 2015 bei ihr beschäftigten Arbeitnehmerin in einem am 22.11.2019 in Anwesenheit ihres Rechtsanwaltes stattfindenden Gesprächs erstmals vorgeworfen, sie habe unberechtigt Einkaufspreise in der EDV der Beklagten abgeändert. Der Arbeitnehmerin war vor diesem Gespräch nicht mitgeteilt worden, worum es in dem Gespräch gehen sollte. Im Verlauf dieses Gespräches legte die Arbeitgeberin der Arbeitnehmerin einen vorbereiteten Aufhebungsvertrag mit Ausgleichsquittung vor, wonach das Arbeitsverhältnis zum Monatsende aus betrieblichen Gründen enden sollte. Nach einer zehnminütigen Gesprächspause unterzeichnete die Arbeitnehmerin die Vereinbarung. Zeitlich später erklärte sie die Anfechtung des Aufhebungsvertrages, den sie nur abgeschlossen habe, weil ihr widerrechtlich mit einer fristlosen Kündigung und einer Strafanzeige gedroht worden sei. Die Arbeitgeberin kündigte daraufhin das Arbeitsverhältnis außerordentlich, hilfsweise ordentlich. Die Arbeitnehmerin hat daraufhin die Unwirksamkeit von Aufhebungsvertrag und Kündigungen des Arbeitsgerichts geltend gemacht. Im Gegensatz zum Arbeitsgericht hat das Landesarbeitsgericht die Wirksamkeit des Aufhebungsvertrages angenommen, weil das Gebot fairen Verhandelns von der Arbeitgeberin nicht verletzt worden sei. Auch die Revision der Arbeitnehmerin hatte keinen Erfolg. Es fehle an der Widerrechtlichkeit der behaupteten Drohung, weil ein verständiger Arbeitgeber in der Situation sowohl die Erklärung einer außerordentlichen Kündigung als auch die Erstattung einer Strafanzeige ernsthaft hätte in Erwägung ziehen dürfen. Das Landesarbeitsgericht sei unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des BAG vom 07.02.2019 – 6 AZR 75/18 – zu dem Ergebnis gelangt, dass die Beklagte nicht unfair verhandelt und dadurch gegen ihre Pflichten aus § 311 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 241 Abs. 2 BGB verstoßen habe. Die Entscheidungsfreiheit der Arbeitnehmerin sei auch nicht dadurch verletzt worden, dass die Arbeitgeberin den Aufhebungsvertrag entsprechend § 147 Abs. 1 S. 1 BGB nur zur sofortigen Annahme unterbreitet habe und die Arbeitnehmerin über die Annahme deswegen sofort entscheiden musste.

BAG, Urteil vom 24.02.2022 – 6 AZR 333/21 – (BAG-Pressemitteilung Nr. 8/22

 

Hat der Arbeitgeber die Zulässigkeitserklärung nach § 17 Abs. 2 MuSchG oder § 18 Abs. 1 BEEG innerhalb der Zwei-Wochen-Frist des § 626 Abs. 2 BGB beantragt und gegen die Versagung der Zulässigkeitserklärung rechtzeitig Widerspruch bzw. Klage erhoben und sodann die beabsichtigte außerordentliche Kündigung unverzüglich nach Kenntnisnahme vom Wegfall des Zustimmungserfordernisses ausgesprochen, ist die zweiwöchige Kündigungserklärungsfrist des § 626 Abs. 2 BGB gewahrt.

LAG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 15.03.2022 – 5 Sa 122/21 – juris

 

Der Wahlvorstand kann im Rahmen einer durchzuführenden Betriebsratswahl die schriftliche Stimmabgabe gem. § 24 der Ersten Verordnung zur Durchführung des Betriebsverfassungsgesetzes nur für räumlich weit vom Hauptbetrieb entfernte Betriebsteile und Kleinstbetriebe beschließen. Diese Voraussetzungen liegen bei unmittelbar an das umzäunte Werksgelände des Hauptbetriebes angrenzenden Betriebsstätten nicht vor.

BAG, Urteil vom 16.03.2022 – 7 ABR 29/20 – (BAG-Pressemitteilung Nr. 12/22)

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