Geringfügig Beschäftigte, die in Bezug auf Umfang und Lage der Arbeitszeit keinen Weisungen des Arbeitgebers unterliegen, jedoch Wünsche anmelden können, denen dieser allerdings nicht nachkommen muss, dürfen bei gleicher Qualität für die identische Tätigkeit keine geringere Stundenvergütung erhalten als vollbeschäftigte Arbeitnehmer, die durch den Arbeitgeber verbindlich zur Arbeit eingeteilt werden.
BAG, 18.01.2023 – 5 AZR 108/22 (BAG-Pressemitteilung Nr. 3/23)
Der gewerkschaftliche Anspruch auf Unterlassung der Durchführung tarifwidriger Betriebsvereinbarungen nach § 1004 Abs. 1, § 823 Abs. 1 i.V.m. Art. 9 Abs. 3 GG erfordert eine unmittelbare und zwingende Tarifgebundenheit des in Anspruch genommenen Arbeitgebers an die maßgebenden Tarifbestimmungen. Endet diese, kann das Recht auf koalitionsgemäße Betätigung durch von diesem Tarifvertrag abweichende betriebliche Regelung nicht mehr beeinträchtigt werden.
BAG, 25.01.2023 – 4 ABR 4/22 (BAG-Pressemitteilung Nr. 4/23)
Der gesetzliche Anspruch eines Arbeitnehmers gegen den Arbeitgeber, nicht genommenen Urlaub nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses abzugelten, unterliegt der Verjährung. Die dreijährige Verjährungsfrist beginnt in der Regel mit dem Ende des Jahres, in dem der Arbeitnehmer aus dem Arbeitsverhältnis ausscheidet. Endet das Arbeitsverhältnis vor der Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) vom 08.11.2018 und war es dem Arbeitnehmer nicht zumutbar, Klage auf Abgeltung zu erheben, konnte die Verjährungsfrist nicht vor Ende des Jahres 2018 beginnen.
BAG, 31.01.2023 – 9 AZR 456/20 (BAG-Pressemitteilung Nr. 5/23)
Der gesetzliche Anspruch eines Arbeitnehmers gegen den Arbeitgeber, nicht genommenen Urlaub nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses abzugelten, kann nach Maßgabe einer tarifvertraglichen Ausschlussfrist verfallen. Endete das Arbeitsverhältnis vor der Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) vom 06.11.2018 und oblag es dem Arbeitnehmer aufgrund der gegenläufigen Senatsrechtsprechung nicht, den Anspruch innerhalb der tarifvertraglichen Ausschlussfrist geltend zu machen, begann die Ausschlussfrist erst mit der Bekanntgabe des Urteils.
BAG, 31.01.2023 – 9 AZR 244/20 (BAG-Pressemitteilung Nr. 6/23)
Ein Text, der zur Erteilung einer „ordnungsgemäßen“ Abrechnung nach § 108 GewO verpflichtet, ist bestimmt genug und daher zur Zwangsvollstreckung geeignet
LAG Hamm, 08.02.2023 – 12 Ta 233/22 – juris
Eine Frau hat Anspruch auf gleiches Entgelt für gleiche oder gleichwertige Arbeit, wenn der Arbeitgeber männlichen Kollegen aufgrund des Geschlechts ein höheres Gehalt zahlt. Daran ändert nichts, wenn der männliche Kollege ein höheres Gehalt fordert und der Arbeitgeber dieser Forderung nachgeht. Zahlt der Arbeitgeber einer die gleiche Arbeit verrichtenden Arbeitnehmerin ein niedrigeres Grundentgelt als dem männlichen Kollegen, hat die Arbeitnehmerin deshalb einen Anspruch nach Art. 157 AEUV, § 3 Abs. 1 und § 7 EntgTranspG. Der Umstand, dass die Arbeitnehmerin für die gleiche Arbeit ein niedrigeres Grundentgelt erhält als ihr männlicher Kollege, begründet die Vermutung nach § 22 AGG, dass die Benachteiligung aufgrund des Geschlechts erfolgt ist. Das führt nach § 15 Abs. 2 AGG zur Zahlung einer Entschädigung.
BAG, 16.02.2023 – 8 AZR 450/21 (BAG-Pressemitteilung Nr. 10/23)
Eine Regelung in einem Tarifvertrag, die für unregelmäßige Nachtarbeit einen höheren Zuschlag vorsieht als für regelmäßige Nachtarbeit, verstößt dann nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG, wenn ein sachlicher Grund für die Ungleichbehandlung gegeben ist, der aus dem Tarifvertrag erkennbar sein muss. Ein solcher kann darin liegen, dass mit dem höheren Zuschlag neben den spezifischen Belastungen durch die Nachtarbeit auch die Belastungen durch die geringere Planbarkeit eines Arbeitseinsatzes in unregelmäßiger Nachtarbeit ausgeglichen werden sollen.
BAG, 22.02.2023 – 10 AZR 333/20 (BAG-Pressemitteilung Nr. 11/23)
In einem Haustarifvertrag kann eine Entgelterhöhung für den Fall vereinbart werden, dass die Arbeitgeberin konkret bezeichnete Sanierungsmaßnahmen nicht bis zu einem bestimmten Datum durchführt. Die tarifliche Entgelterhöhung steht unter einer aufschiebenden Bedingung i.S.d. § 158 Abs. 1 BGB, ohne dass es sich zugleich um eine Vertragsstrafenabrede i.S.d. §§ 339 ff. BGB handelt.
BAG, 22.02.2023 – 4 AZR 68/22 (BAG-Pressemitteilung Nr. 12/23)