II./2018 Newsletter Arbeitsrecht

Ist es in einer Branche oder Berufsgruppe üblich, für Arbeitnehmer bestimmte positive Eigenschaften oder Leistungen hervorzuheben, dann muss diesem Brauch auch im Zeugnis Rechnung getragen werden.

Ein Zeugnis darf keine Auslassungen enthalten, wo der verständige Leser eine positive Hervorhebung erwartet. Anspruch auf ausdrückliche Bescheinigung bestimmter Merkmale hat damit der Arbeitnehmer, in dessen Berufskreis dies üblich ist und bei dem das Fehlen einer entsprechenden Aussage im Zeugnis sein berufliches Fortkommen behindern könnte. Das Weglassen bestimmter Prädikate oder berufsspezifischer Merkmale ist bei einer im Übrigen positiven Beurteilung zwar grundsätzlich noch kein Hinweis auf deren Fehlen. Soweit jedoch die Merkmale in besonderem Maße gefragt sind und deshalb der allgemeine Brauch besteht, diese im Zeugnis zu erwähnen, kann die Nichterwähnung (beredtes Schweigen) ein erkennbarer Hinweis für den Zeugnisleser sein.  (LAG Düsseldorf, Urteil vom 29.11.2017, 12 Sa 936/16)

Das BetrVG beinhaltet keine allgemeine Neutralitätspflicht des Arbeitgebers im Zusammenhang mit der Durchführung von Betriebsratswahlen

Das BAG hat entschieden, dass es ein striktes, über den Wortlaut des § 20 Abs. 2 BetrVG hinausgehendes Neutralitätsgebot des Arbeitgebers im Zusammenhang mit Betriebsratswahlen nicht gibt. Als Vorinstanz hatte das Hessische Landesarbeitsgericht am 12.11.2015 – 9 TaBV 44/15 – noch eine umfassende Neutralitätspflicht des Arbeitsgebers in Bezug auf Betriebsratswahlen ohne irgendeine zeitliche Beschränkung postuliert. Jede Äußerung des Arbeitgebers, die einen Bezug zur Wahl habe, verletze diese Neutralitätspflicht und begründe damit automatisch eine Wahlanfechtung. Das BAG hob die Entscheidung des Hessischen LAG auf und stellte die erstinstanzliche Entscheidung des Arbeitsgerichtes Wiesbaden wieder her. Es betonte, dass das BetrVG keine allgemeine Neutralitätspflicht des Arbeitgebers kenne. Über die in § 20 Abs. 2 BetrVG geregelten speziellen Tatbestände hinausgehend, gäbe es keine Allgemeine Neutralitätspflicht. (BAG, Bechluss vom 25.10.2017, 7 ABR 10/16)

 Allein der Verdacht der Zugehörigkeit zur „salafistischen Szene“ rechtfertigt die fristlose Kündigung des Arbeitsverhältnisses nicht.

Das Landesarbeitsgericht Niedersachsen hat entschieden, dass der bloße Verdacht einer Zugehörigkeit zur radikal militanten „Jihad-Bewegung“ und der damit begründete präventive Entzug des Reisepasses nicht ohne Weiteres als Grund für die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses ausreichen. Solche Umstände sind als Kündigungsgründe nur bei einer konkreten Störung des Arbeitsverhältnisses geeignet. Da die Arbeitgeberin eine solche konkrete Störung ebenso wenig aufzeigen konnte wie einen dringenden Verdacht dahin, dass der Kläger den Frieden und die Sicherheit im Betrieb stören könnte, hatte die Berufung des Klägers Erfolg, so dass die erstinstanzliche Entscheidung, die die gegen die Wirksamkeit der Kündigungen gerichtete Klage abgewiesen hatte, aufgehoben wurde. Rein außerdienstliche Umstände können nach der Auffassung des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses weder fristlos noch fristgemäß rechtfertigen. Das LAG hat wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtsfrage die Revision zum Bundesarbeitsgericht zugelassen. (LAG Niedersachsen, Urteil vom 12.03.2018, 15 Sa 319/17)

Eine rechtliche wirksame Anhörung eines Arbeitnehmers vor Ausspruch einer beabsichtigten Verdachtskündigung setzt zu ihrer Wirksamkeit auch voraus, dass dem Arbeitnehmer angemessene Zeit für die Anhörung eingeräumt wird.

Wer einem Arbeitnehmer gegenüber eine Kündigung aussprechen will, die nicht auf Tatsachen, sondern auf einem dringenden Verdacht beruht, muss den betroffenen Mitarbeiter vorher zu den Vorwürfen anhören. Voraussetzung für eine rechtswirksame Anhörung sei dabei nach Auffassung des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein, dass dem Arbeitnehmer eine angemessene Zeit für die Antwort eingeräumt wird. Setze der Arbeitgeber dagegen eine zu kurze Frist und kündige dem Arbeitnehmer nach deren Ablauf, ohne das die Stellungnahme des Betroffenen vorliege, so sei die Kündigung als Verdachtskündigung rechtsunwirksam. Der Arbeitgeber hatte vorliegend den Arbeitnehmer mit einem am Donnerstagabend in den Briekasten eingelegten Schreiben unter Fristsetzung bis zum folgenden Montag, mittags, Gelegenheit zur Stellungnahme zum bestehenden Verdacht eingeräumt. Das Landesarbeitsgericht  hielt – angesichts des Umstandes, dass sich die Parteien bereits anderweitig in vertraglichen und auch gerichtlichen Auseinandersetzungen befanden, in welchem sich der Kläger stets anwaltlich vertreten ließ – die Stellungnahmefrist von nicht einmal zwei vollen Arbeitstagen für in jeder Hinsicht unangemessen kurz. Das gelte umso mehr, als der Arbeitgeber das Anhörungsschreiben nicht zugleich dem Prozessbevollmächtigten des Arbeitnehmers – gegebenenfalls auch per Fax – zusandte. Außerdem habe er gewusst, dass der Arbeitnehmer arbeitsunfähig krank war. Der Arbeitgeber musste somit damit rechnen, dass der Arbeitnehmer sich dieser gerade nicht durchgängig zuhause aufhalte. (LAG Schleswig-Holstein, Urteil vom 21.03.2018, 3 Sa 398/17)

Auch bei außerdienstlichem Verhalten kann eine fristlose Kündigung des Arbeitsverhältnisses in Betracht kommen, wenn dieses die Eignung bzw. Zuverlässigkeit des Arbeitnehmers entfallen lässt.

Das Landesarbeitsgericht Düsseldorf hat entschieden, das der Versuch eines Sprengstoffvergehens als außerdienstliche Straftat in Ansehung der konkreten Arbeitsaufgabe des Mitarbeiters in einem Chemieunternehmen, dessen Stellung im Betrieb und der langen Betriebszugehörigkeit selbst dann keine fristlose Kündigung rechtfertigt, wenn der Arbeitnehmer im Rahmen der Erledigung seiner Arbeitsaufgaben auch Zugang zu gefährlichen Chemikalien hat. Auch bei außerdienstlichem Verhalten könne eine fristlose Kündigung des Arbeitsverhältnisses in Betracht kommen, wenn diese die Eignung bzw. Zuverlässigkeit des Arbeitnehmers entfallen lässt. Dabei seien die Art und Schwere des Deliktes, die konkret nach dem Arbeitsvertrag geschuldete Tätigkeit sowie die Stellung im Unternehmen zu berücksichtigen. Obwohl der Arbeitnehmer, in dessen Wohnung die Polizei größere Mengen gefährlicher Chemikalien gefunden hatte, wegen Versuchs eines Sprengstoffvergehens im Jahre 2016 verurteilt worden war, sah das Landesarbeitsgericht die vom Arbeitgeber ausgesprochene fristlose Kündigung als rechtsunwirksam an. Auch wenn sich das Unternehmen der beklagten Arbeitgeberin in einem Chemiepark befinde, der generell von der Beklagten als sicherheitsrelevant eingestuft werde, rechtfertigten die außerdienstlichen Vorwürfe gegenüber dem Kläger in Ansehung seiner konkreten Arbeitsaufgabe, der Stellung im Betrieb und der langen Betriebszugehörigkeit keine fristlose Kündigung. (LAG Düsseldorf, Urteil vom 13.04.2018, 11 Sa 319/17)

Vergütungsvereinbarungen in Arbeitsverträgen sind keine Allgemeinen Geschäftsbedingungen

Bei einer arbeitsvertraglichen Vergütungsabrede handelt es sich nicht um eine Allgemeine Geschäftsbedingung, sondern um eine individuell vereinbarte, nicht der AGB-Kontrolle unterworfene Regelung der Hauptleistungspflicht, die durch eine Betriebsvereinbarung nicht zu Lasten des Arbeitnehmers abgeändert werden kann. Wenn die Arbeitsvertragsparteien vereinbaren, dass dem Arbeitnehmer aufgrund arbeitsvertraglicher Inbezugnahme eine Vergütung nach dem Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst zusteht, vermag eine Betriebsvereinbarung diese Vereinbarung nicht abzuändern, weil es sich dabei nicht um eine Allgemeine Geschäftsbedingung, sondern um eine individuell vereinbarte, nicht der AGB-Kontrolle unterworfene Regelung der Hauptleistungspflicht handelt. (BAG, Urteil vom 12.04.2018, 4 AZR 119/17)

Kirchliche Arbeitgeber müssen unter Umständen auch Konfessionslose einstellen

Der EuGH hat in einem Grundsatzurteil entschieden, dass kirchliche Arbeitgeber nicht bei jeder Stelle von Bewerbern eine Religionszugehörigkeit fordern dürfen; wenn sie dies jedoch verlangen, muss dieses Erfordernis zumindest Gegenstand einer wirksamen gerichtlichen Kontrolle sein können. Zur Bedingung dürfe die Zugehörigkeit zu einer Konfession nur gemacht werden, wenn dies für die Tätigkeit „objektiv geboten“ sei, so der EuGH. Außerdem müsse die Verhältnismäßigkeit gewahrt bleiben. (EuGH vom 17.04.2018, C 414/16)

Keine Unmöglichkeit der Beschäftigung bei Wegfall des Arbeitsplatzes

Das BAG hat entschieden, dass ein Arbeitgeber im Rahmen einer Vollstreckungsabwehrklage nach § 767 ZPO nicht erfolgreich einwenden kann, ihm sei die Erfüllung eines rechtskräftig zuerkannten Beschäftigungsanspruches auf einen konkreten Arbeitsplatz wegen dessen Wegfalls unmöglich, wenn er einen arbeitsvertraglichen Beschäftigungsanspruch durch Zuweisung einer anderen vertragsgemäßen Tätigkeit erfüllen könnte. Hintergrund der Entscheidung war, dass ein Arbeitnehmer einen Weiterbeschäftigungstitel gegen den Arbeitgeber erstritten hatte, der diesen zur Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers auf einer konkret im Weiterbeschäftigungstitel genannten Position verpflichtete. Diese konkrete Position war allerdings aufgrund von Umstrukturierungsmaßnahmen weggefallen, weshalb der Arbeitgeber im Wege der Vollstreckungsgegenklage einwandte, ihm sei eine Beschäftigung des Arbeitnehmers unmöglich geworden. Nach Auffassung des BAG kann der Arbeitgeber, selbst wenn die Beschäftigung des Arbeitnehmers infolge des Wegfalls des Arbeitsplatzes im Sinne von § 275 Abs. 1 BGB unmöglich geworden ist, mit dieser Einwendung im Verfahren nach § 767 ZPO ebenfalls wegen des aus § 242 BGB abzuleitenden, von Amts wegen zu berücksichtigenden sogenannten Dolo-Agit-Einwands nicht durchdringen. Danach verstößt gegen Treu und Glauben, wer eine Leistung verlangt, die er sofort zurückgewähren muss. Durch die Nichtbeschäftigung des Arbeitnehmers verstoße der Arbeitgeber gegen die Beschäftigungspflicht (§ 611 Abs. 1 BGB). Der Arbeitgeber müsse dem Arbeitnehmer nach § 280 Abs. 1 S. 1 i. V. m. § 249 Abs. 1 BGB eine andere vertragsgemäße Beschäftigung zuweisen. (BAG, Urteil vom 22.03.2018, 10 AZR 560/16)

Befristete Weiterbeschäftigung eines pensionierten Lehrers zulässig (§ 41 S. 3 SGB VI)

Der EuGH hat entschieden, dass die befristete Verlängerung eines Arbeitsverhältnisses über die Regelaltersgrenze hinaus zulässig ist, so dass ein angestellter Arbeitnehmer nicht geltend machen kann, dass es sich dabei um einen Missbrauch befristeter Arbeitsverträge handele. Konkret hatte der EuGH über eine Vorlage des LAG Bremen entschieden, das den EuGH fragte, ob die nationale Regelung des § 41 S. 3 SGB VI, die es den Arbeitsvertragsparteien unter bestimmten Voraussetzungen ermöglicht, den Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses hinauszuschieben, nur weil der Arbeitnehmer durch Erreichen der Regelaltersgrenze einen Anspruch auf Altersrente hat, gegen EU-Recht verstößt. Der EuGH hat entschieden, dass das Verbot der Diskriminierung wegen des Alters einer nationalen Bestimmung wie der in Rede stehenden nicht entgegen stehe, die bei Arbeitnehmern, die die Regelaltersgrenze erreicht haben, das Hinausschieben des Zeitpunkts der Beendigung des Arbeitsverhältnisses von einer befristet erteilten Zustimmung des Arbeitgebers abhängig macht. Ein Arbeitnehmer, der das Regelalter für den Bezug der gesetzlichen Altersrente erreiche, unterscheide sich von anderen Arbeitnehmern nicht nur hinsichtlich seiner sozialen Absicherung, sondern auch dadurch, dass er sich regelmäßig am Ende seines Berufslebens befinde und damit im Hinblick auf die Befristung seines Arbeitsvertrages nicht vor der Alternative stehe, in den Genuss eines unbefristeten Vertrages zu kommen. Außerdem sei bei der Verlängerung des Arbeitsverhältnisses, um die es im vorliegenden Fall gehe, gewährleistet, dass der betreffende Arbeitnehmer zu den ursprünglichen Bedingungen weiter beschäftigt werde und gleichzeitig seinen Anspruch auf eine Altersrente behalte. (EuGH vom 28.02.2018, C – 64/17)

Rufbereitschaft zu Hause als Arbeitszeit

Der EuGH hat entschieden, dass die Bereitschaftszeit, die ein Arbeitnehmer zuhause verbringt und während deren er der Verpflichtung unterliegt, einem Ruf des Arbeitgebers zum Einsatz innerhalb kurzer Zeit Folge zu leisten, als Arbeitszeit anzusehen ist. In dem vorliegenden Fall hatte der Arbeitnehmer die Auflage vom Arbeitgeber, sich zu Hause an seinem Wohnsitz aufzuhalten und bei entsprechendem Abruf binnen acht Minuten am Arbeitsplatz zu erscheinen. Der EuGH hat entschieden, dass die Verpflichtung, persönlich an einem vom Arbeitgeber bestimmten Ort anwesend zu sein, sowie die Vorgabe, sich innerhalb kurzer Zeit am Arbeitszeit einzufinden, die Möglichkeiten eines Arbeitnehmers erheblich einschränke, sich anderen Tätigkeiten zu widmen. Der konkrete Fall sei damit nicht mit einem normalen Bereitschaftsdienst vergleichbar, bei dem der Arbeitnehmer für den Arbeitgeber im Bedarfsfall nur erreichbar sein müsse. In der vorliegenden Konstellation seien die Möglichkeiten des Arbeitnehmers, sich seinen persönlichen und sozialen Interessen zu widmen, dagegen so stark eingeschränkt, dass die Rufbereitschaft im vorliegenden Fall als Arbeitszeit zu werten sei. (EuGH vom 21.02.2018, C – 518/15)

Bei der Berechnung der werktäglichen Höchstarbeitszeit nach dem Arbeitszeitgesetz sind Urlaubs- und gesetzliche Feiertage nicht als Ausgleichstage zu berücksichtigen

Das BVerwG hat entschieden, dass bei der Berechnung der Höchstarbeitszeit nach dem Arbeitszeitgesetz Urlaubs- und gesetzliche Feiertage nicht als Ausgleichstage berücksichtigt werden dürfen. Um die Einhaltung der höchst zulässigen Arbeitszeit im Jahresdurchschnitt sicher zu stellen, führte die klagende Arbeitgeberin für die bei ihm beschäftigten Ärzte sogenannte Arbeitsschutzkonten, auf denen die wöchentliche Höchstarbeitszeit als Soll verbucht und die tatsächlich geleisteten Arbeitsstunden als Haben erfasst wurden. Während die Tage des gesetzlichen Mindesturlaubs so verbucht wurden, als sein an ihnen regulär gearbeitet worden, wertete sie darüber hinausgehende Urlaubstage und gesetzliche Feiertage, die auf einen Werktag fallen, als Ausgleichstage mit einer geleisteten Arbeitszeit von 0 Stunden. Soll konnten diese Tage zum Ausgleich für überdurchschnittlich geleistete Arbeit an anderen Tagen herangezogen werden. Das BVerwG hat entschieden, dass Urlaubstage, auch wenn sie über den gesetzlichen Mindesturlaub hinaus gehen, bei der Berechnung der durchschnittlichen Höchstarbeitszeit nach dem Arbeitszeitgesetz nicht als Ausgleichstage herangezogen werden dürfen. Aus dem systematischen Zusammenhang des Arbeitszeitgesetzes und des Bundesurlaubsgesetzes ergebe sich, dass als Ausgleichstage solche Tage dienen können, an denen der Arbeitnehmer nicht schon wegen Urlaubsgewährung von der Arbeitspflicht freigestellt ist. Das gelte auch für gesetzliche Feiertage, die auf einen Werktag fallen. Auch diese dürften bei der Berechnung der durchschnittlichen Höchstarbeitszeit als Ausgleichstage nicht herangezogen werden, weil sie keine Werktage und grundsätzlich beschäftigungsfrei seien. (BVerwG vom 11.05.2018, 8 C 13.17)

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