Der Umstand, dass eine schriftliche Einladung zu einem Vorstellungsgespräch der sich bewerbenden schwerbehinderten oder gleichgestellten Person nicht entsprechend § 130 BGB zugegangen ist, kann die Kausalitätsvermutung nach § 22 AGG nur begründen, wenn der Arbeitgeber nicht alles ihm Mögliche und zumutbare unternommen hat, um einen ordnungsgemäßen und fristgerechten Zugang der Einladung zu bewirken.
BAG, 01.07.2021 – 8 AZR 297-20 -, juris.
Im Falle eines noch nicht lange bestehenden Startup-Unternehmens hat die Passage in einer Stellenausschreibung, dass ein „junges Team mit flachen Hierarchien“ geboten werde, keinen Bezug zum Alter der Mitarbeiter dieses Teams.
LAG Berlin-Brandenburg, 01.07.2021 – 5 Sa 1573/20 -, juris.
Gewährt der Arbeitgeber bei einer Langzeiterkrankung im Jahr der Erkrankung bereits Urlaub und nimmt er keine Tilgungsbestimmung vor, so gewährt er gesetzlichen Urlaub, Zusatzurlaub wegen Schwerbehinderung und tariflichen Mehrurlaub anteilig zu gleichen Teilen. Eine Mitwirkungspflicht des Arbeitgebers besteht auch bei Langzeiterkrankung des Arbeitnehmers, da sie mangels Vorhersehbarkeit der Dauer der Erkrankung ihren Zweck erfüllen könnte.
Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein, 06.07.2021 – 2 Sa 73 öD/21 -, juris.
Für die Abgrenzung eines Dienstleistungsvertrages in der Form eines sog. gemischten Vertrages von Arbeitnehmerüberlassung ist die Analyse des Vertragsgegenstandes maßgeblich, so wie er sich in vertraglich vereinbarter und tatsächlicher Hinsicht darstellt und den sich daraus ergebenden Folgen für die Eingliederung und Weisungsbefugnis oder Aufsicht und Leitung bei dem Vertragspartner, der Gerät und Personal zur Verfügung gestellt bekommt.
Bei einer Wet-Lease-Vereinbarung in der Form des sog. ACMIO-Vertrages im Be-reich der Luftfahrt handelt es sich um einen Dienstleistungsvertrag und nicht um Arbeitnehmerüberlassung.
Landesarbeitsgericht Düsseldorf, 07.07.2021 – 12 Sa 154/21 -, juris.
Die Vereinbarung einer Probezeit hat nur den Zweck, während dieser Zeit mit verkürzter Frist (§ 622 Abs. 3 BGB) kündigen zu können. Der allgemeine Kündigungsschutz greift gleichwohl erst nach sechs Monaten ein.
Während der gesetzlichen Wartezeit des § 1 KSchG ist der Arbeitnehmer lediglich vor einer sitten- oder treuwidrigen Ausübung des Kündigungsrechts des Arbeitgebers geschützt. In dieser Zeit ist das Vertrauen des Arbeitnehmers in den Vorbestand des Arbeitsverhältnisses dadurch beschränkt, dass er mit einer Kündigung des Arbeitsverhältnisses ohne den Nachweis von Gründen rechnen muss. Umgekehrt hat der Arbeitgeber bei der Einstellung eines Arbeitnehmers regelmäßig ein berechtigtes Interesse daran, prüfen zu können, ob der neue Mitarbeiter seinen Vorstellungen entspricht. In der Wartezeit erfolgt daher grundsätzlich nur eine Missbrauchskontrolle. Auch unter Berücksichtigung verfassungsrechtlicher Vorgaben verstößt die Kündigung in der Wartezeit deshalb nur dann gegen § 242 BGB, wenn sie Treu und Glauben aus Gründen verletzt, die von § 1 KSchG nicht erfasst sind. Eine solche Kündigung ist nicht willkürlich, wenn für sie ein irgendwie einleuchtender Grund besteht. Ansonsten würde in diesen Fällen über § 242 BGB der kraft Gesetzes ausgeschlossene Kündigungsschutz doch gewährt und damit die Möglichkeit des Arbeitgebers eingeschränkt werden, die Eignung des Arbeitnehmers für die geschuldete Tätigkeit in seinem Betrieb und Unternehmen während der gesetzlichen Wartezeit zu überprüfen. Im Regelfall führt allein ein dem Arbeitnehmer besonders belastender Zeitpunkt der Arbeitgeberkündigung (die „Unzeit“) nicht zur Unwirksamkeit der Kündigung. Die Annahme einer Treuwidrigkeit der Kündigung nach § 242 BGB setzt vielmehr weitere Umstände voraus.
LAG Rheinland-Pfalz, 08.07.2021 – 5 Sa 387/20 -, juris.
Liegen zwischen der Anhörung des Betriebsrats nach § 102 Abs. 1 BetrVG und dem Ausspruch der Kündigung, zu der der Betriebsrat angehört worden ist, wegen Durchführung des Verfahrens nach § 168 SGB IX mehr als zehn Monate, bedingt dies allein nicht, dass vor Kündigungsausspruch eine neue Betriebsratsanhörung gemäß § 102 Abs. 1 BetrVG stattzufinden hat. Eine neue Betriebsratsanhörung ist jedoch erforderlich, wenn eine Änderung des Kündigungssachverhalts eingetreten ist, weil der Arbeitgeber im Rahmen des Verfahrens vor dem Integrationsamt nach der Ermittlung neuer tatsächlicher Aspekte die geplante Tatkündigung fallen lässt und nur noch die zuvor hilfsweise beabsichtigte Verdachtskündigung aussprechen wird und der Arbeitnehmer in der Zwischenzeit im Rahmen einer Prozessbeschäftigung im Betrieb der Beklagten tätig geworden ist und eine Schulung in gerade demjenigen Bereich erhalten hat, aus dem die Kündigungsvorwürfe resultieren. Stimmt das Integrationsamt ausdrücklich einer einheitlichen Verdachtskündigung aufgrund von zwei jeweils in sich abgeschlossenen Vorfällen zu und hat der Arbeitgeber die ursprünglich beabsichtigte Tatkündigung im Rahmen dieses Verfahrens ausdrücklich fallen lassen, ist eine auf nur einen dieser Vorfälle gestützte und im Prozess ausschließlich als Tatkündigung begründete Kündigung mangels Zustimmung des Integrationsamtes nach § 168 SGB IX i.V.m. § 134 BGB unwirksam.
Hessisches Landesarbeitsgericht, 09.07.2021 – 14 Sa 10/21 -, juris.
Verpflichtet sich die Arbeitgeberin in einem Vergleich i.S.d. § 278 Abs. 6 ZPO, ein Zeugnis „mit der Unterschrift der Niederlassung“ der Arbeitgeberin zu erstellen, erfüllt sich ihre Verpflichtung hieraus, wenn im Zeugnis neben der Unterschrift des Niederlassungsleiters der Vertretung Zusatz „i.V.“ aufgeführt wird. Dies folgt insbesondere aus dem Zweck des Zeugnisses.
LAG München, 12.07.2021 – 3 Ta 160/21 -, juris.
Im bestehenden Arbeitsverhältnis, für welches kraft einzelvertraglicher Vereinbarung der TV-Ärzte/VKA Anwendung findet und im welchen der Beschäftigte vor dem unmittelbaren Eintritt in den gesetzlichen Ruhestand lediglich zur Abgeltung von Überstunden freigestellt wurde und weder ein Altersteilzeitverhältnis im Blockmodell nach § 2 Abs. 2 Satz 1 AltTZG vereinbart wurde, noch die wechselseitigen Hauptleistungspflichten aus dem Dienstvertrag suspendiert sind, noch dieses zum Ruhen gebracht wurde, entstehen weiterhin Urlaubsansprüche nach § 27 TV-Ärzte/VKA i.V.m. § 3 Abs. 1 BUrlG. Eine von vornherein fehlende Arbeitspflicht wie beim Altersteilzeitverhältnis im Blockmodell nach § 2 Abs. 1 Satz 1 AltTZG liegt damit auch dann nicht vor, wenn der Arbeitgeber die Freistellung „en bloc“ vor dem Renteneintritt gewährt.
LAG Rheinland-Pfalz ,13.07.2021 – 6 Sa 14/21 -, juris.
Die beharrliche Weigerung eines Arbeitnehmers, seine arbeitsvertraglichen Pflichten zu erfüllen, ist „an sich“ geeignet, selbst eine außerordentliche fristlose Kündigung zu rechtfertigen. Das gilt nicht nur für die Weigerung, die vertraglich geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen, sondern auch für die Verletzung von Nebenpflichten. Ein Arbeitnehmer weigert sich beharrlich, seinen vertraglichen Pflichten nachzukommen, wenn er sie bewusst und nachhaltig nicht erfüllen will. Welche Pflichten ihn treffen, bestimmt sich nach der objektiven Rechtslage. Verweigert der Arbeitnehmer die Erfüllung einer arbeitsvertraglichen Pflicht in der Annahme, er handle rechtmäßig, hat grundsätzlich er selbst das Risiko zu tragen, dass sich seiner Rechtsauffassung als falsch erweist. Der Arbeitgeber darf sich wie auch nach § 106 S. 1 GewO bei der Ausübung seines Direktionsrechts nicht allein von seinen Interessen („betriebliche Gründe“) leiten lassen, sondern er hat einen angemessenen Ausgleich der beiderseitigen Interessen vorzunehmen. Durch die von dem Arbeitnehmer abverlangte Flexibilität erhält er eine entsprechende stärkere Sicherung seines Arbeitsverhältnisses im Fall betriebsbedingter Kündigungen. Die Leistungsbestimmung nach billigem Ermessen verlangt eine Abwägung der wechselseitigen Interessen nach den verfassungsrechtlichen und gesetzlichen Wertentscheidungen, den allgemeinen Bewertungsgrundsätzen der Verhältnismäßigkeit und Angemessenheit sowie der Verkehrssitte Unzumutbarkeit. Das gebietet eine Berücksichtigung und Bewertung der Interessen unter Abwägung aller Umstände des Einzelfalls.
LAG Rheinland-Pfalz, 14.07.2021 – 7 Sa 144/20 -, juris.
Ein Betrieb unterfällt dem betrieblichen Geltungsbereich der Verfahrenstarifverträge des Baugewerbes, wenn in ihm überwiegend die in § 1 Abs. 2 Abschn. I-V der Verfahrenstarifverträge genannten Leistungen erbracht werden. Um dies zu beurteilen, kommt es grundsätzlich auf die arbeitsvertraglich überwiegend versehene Tätigkeit der Arbeitnehmer an. Dafür ist sowohl die Arbeitszeit der gewerblichen Arbeitnehmer als auch die der Angestellten zu berücksichtigen.
Ein Betrieb, in dem die Arbeitnehmer arbeitszeitlich überwiegend Grundstücke entwickeln, beplanen, durch Subunternehmen bebauen lassen, vermarkten und veräußern, wird als Bauträgerbetrieb nicht von den Verfahrenstarifverträgen der Bauwirtschaft erfasst. Die versehenen Tätigkeiten sind nicht baugewerblicher Natur im Sinne der Verfahrenstarifverträge.
BAG, 14.07.2021 – 10 AZR 190/20 -, juris.
Entscheidet sich der Arbeitnehmer, verpflichtend zu tragende Dienstkleidung unter Nutzung der vom Arbeitgeber zur Verfügung gestellten Umkleidemöglichkeiten im Betrieb anzulegen, ist die dafür aufgewandte Zeit fremdnützig und daher vom Arbeitgeber zu vergüten. Das gilt auch bei einer nicht besonders auffälligen Dienstkleidung sowie dann, wenn der Arbeitgeber es dem Arbeitnehmer freistellt, ob er sich zu Hause oder im Betrieb umkleidet. Entscheidend ist allein, dass der entstandene Zeitaufwand auf der Weisung des Arbeitgebers zum Tragen einer vorgeschriebenen Kleidung beruht.
Durch Arbeits- oder Tarifvertrag kann eine gesonderte Vergütungsregelung für eine andere als die eigentliche Tätigkeit und damit auch für Umkleidezeiten getroffen werden. Unter Beachtung der Binnenschranken der Betriebsverfassung ist eine gesonderte Vergütungsregelung auch in einer Betriebsvereinbarung möglich. Dabei kann eine Vergütung auch ganz ausgeschlossen werden, sofern mit der getroffenen Vereinbarung nicht der jedem Arbeitnehmer für tatsächlich geleistete vergütungspflichtige Arbeit nach § 1 Abs. 1 MiLoG zustehende Anspruch auf dem Mindestlohn unterschritten wird.
BAG, 15.07.2021 – 6 AZR 207/20 -, juris.
Nach § 1 des Tarifvertrages für die Kraftfahrer und Kraftfahrerinnen des Bundes (KraftfahrerTVBund) vom 13.09.2005 gilt dieser Tarifvertrag grundsätzlich für alle unter dem TVöD fallenden Kraftfahrer und Kraftfahrerinnen von Personen- und Lastkraftwagen sowie von Omnibussen. Ausnahmsweise ist dies nicht der Fall, wenn der Kraftfahrer oder die Kraftfahrerin nicht oder nur gelegentlich über die regelmäßige Arbeitszeit im Sinne des § 6 Abs. 1 TVöD hinaus beschäftigt wird. Durch den Kraftfahrer TV Bund soll die Entgeltberechnung für nicht nur gelegentlich Überstunden leistende Kraftfahrer erleichtert werden.
Kraftfahrer sind nach der Protokollerklärung zu § 1 Kraftfahrer DV Bund dann nicht nur gelegentlich über die regelmäßige Arbeitszeit hinaus beschäftigt, wenn sie im vorangegangenen Kalenderhalbjahr in einem Kalendermonat mindestens 15 Überstunden geleistet haben. Unter „geleisteten“ Überstunden sind Überstunden aufgrund erbrachter Arbeitsleistung zu verstehen. Reduziert sich die regelmäßige Arbeitszeit nach § 6 Abs. 3 Satz 3 TVöD, bewirkt dies die Absenkung der Stundenzahl, ab deren Erreichen Überstunden geleistet werden.
BAG, 15.07.2021 – 6 AZR 301/20 -, juris.
Eine Arbeitnehmerin, deren Leistung und Verhalten im Endzeugnis mit „gut“ bewertet worden ist, hat keinen Anspruch auf Bescheinigung des Bedauerns über ihr Ausscheiden, schon gar nicht auf die Steigerung „wir bedauern sehr“. Es besteht kein Anspruch darauf, dass (gute) Wünsche für die private Zukunft in die Schlussformel eines Endzeugnisses aufgenommen werden.
LAG München, 15.07.2021 – 3 Sa 188/21 -, juris.
Für die Einwendung der fehlenden Leistungsfähigkeit des Arbeitnehmers im Sinne des § 297 BGB trägt der Arbeitgeber, der sich auf die Einwendung gegenüber einem Anspruch des Arbeitnehmers auf Annahmeverzugsvergütung beruft, die Darlegungs- und Beweislast. Dieser primären Darlegungslast genügt der Arbeitgeber schon dadurch, dass er Indizien vorträgt, aus denen auf eine Leistungsunfähigkeit geschlossen werden kann. Daran dürfen keine zu hohen Anforderungen gestellt werden, sondern es genügen bereits Tatsachen, die eine solche Schlussfolgerung hinsichtlich der geschuldeten Tätigkeit für den Streitzeitraum ermöglichen und wahrscheinlich er-scheinen lassen.
Taugliche Indizien sind neben Krankheitszeiten des Arbeitnehmers vor und nach dem Verzugszeitraum auch durch den Arbeitgeber in dem Prozess eingeführte Privatgutachten eines Betriebs- oder Vertrauensarztes, die er sich zu eigen macht.
BAG, 21.07.2021 – 5 AZR 543/20 -, juris.
Sondervergütungen im Sinne von § 4 a EFZG begründen selbst in Jahren, in denen der Arbeitnehmer durchgehend arbeitsunfähig war, keine kündigungsrelevante wirtschaftliche Belastung für den Arbeitgeber.
BAG, 22.07.2021 – 2 AZR 125/21 -, juris.
Das Widerspruchsrecht des Arbeitnehmers nach § 613 a Abs. 6 BGB kann, wie jedes Recht, nur unter Berücksichtigung der Grundsätze von Treu und Glauben (§ 242 BGB) ausgeübt und deshalb verwirkt werden. Es gibt keine Höchst- oder Mindestfrist für die Verwirkung. Das Gericht hat den von ihm festgelegten Sachverhalt den Merkmalen „Zeitmoment“ und „Umstandsmoment“ zuzuordnen und die Interessen abschließend zu bewerten.
BAG, 22.07.2021 – 2 AZR 6/21 -, juris.
Die durch das Integrationsamt einmal erteilte Zustimmung zur Kündigung -vorbehaltlich ihrer Nichtigkeit – entfaltet so lange Wirksamkeit, wie sie nicht rechtskräftig aufgehoben ist.
Die Einhaltung der Frist des § 626 Abs. 2 BGB bedarf im Fall der Zustimmung des Integrationsamtes keiner Prüfung durch das Landesarbeitsgericht, sondern nur die des § 174 Abs. 5 SGB IX. Ebenso wenig besteht eine Prüfungskompetenz des Landesarbeitsgerichts, ob die Beklagte die Frist des § 174 Abs. 2 SGB IX eingehalten hat darunter.
BAG, 22.07.2021 – 2 AZR 193/21 -, juris.
Das arbeitgeberseitige Direktionsrecht wird durch die Vorschrift des § 207 SGB IX begrenzt, dass auf Verlangen des Arbeitnehmers die Heranziehung zu Mehrarbeit verbietet. Mehrarbeit ist jede über die gesetzliche regelmäßige Arbeitszeit von werktäglich 8 Stunden hinausgehende Arbeitszeit. Die individuell vereinbarte oder tariflich regelmäßige Wochen- bzw. Monatsarbeitszeit bleibt dabei ebenso außer Betracht wie die Möglichkeit, die Arbeitszeit nach § 3 Satz 2 ArbZG auf bis zu 10 Stunden täglich zu verlängern.
Die Vorschrift des § 164 Abs. 4 Satz 1 Nr. 4 SGB IX begründet einen einklagbaren Anspruch des schwerbehinderten Arbeitnehmers oder eines diesen gleichgestellten, nicht (mehr) zu Rufbereitschaftsdiensten eingeteilt zu werden, wenn er diese wegen seiner Behinderung nicht ausüben kann.
Im Rahmen der Darlegungs- und Beweislast für die anspruchsgründenden Tatsachen obliegt es dem schwerbehinderten Arbeitnehmer vorzutragen, inwieweit sein Leistungsvermögen durch die Auswirkungen der Art und Schwere seiner Behinderung so ein beschränkt ist, dass er die ihm übertragene Sonderform der Arbeit (hier Bereitschaftszeiten) nicht mehr leisten kann.
Bereitschaftsdienst in Form der Rufbereitschaft, bei der der Arbeitnehmer während dieser Zeit nicht an seinem Arbeitsplatz bleiben muss, ist insgesamt als Arbeitszeit einzustufen, wenn dem Arbeitnehmer Einschränkungen auferlegt werden, die ihn bei objektiver Betrachtung ganz erheblich darin beeinträchtigen, die Zeit, in der seine beruflichen Leistungen in Anspruch genommen werden können, frei gestalten und sich eigenen Interessen widmen zu können. Erreichen dagegen die dem Arbeitnehmer während einer bestimmten Bereitschaftszeit auferlegten Einschränkungen nicht diesen Intensitätsgrad und erlauben sie es ihm, über seine Zeit zu verfügen und sich ohne größere Einschränkungen seinen eigenen Interessen zu widmen, stellen nur die Zeiten tatsächlich erbrachter Arbeitsleistung Arbeitszeit dar.
Bei der Beurteilung, ob die Bereitschaftszeiten als Arbeitszeit im arbeitszeitrechtlichen Sinne zu qualifizieren ist, fällt neben der Zeitspanne, binnen derer dem Arbeitnehmer die Arbeit auf Abruf aufzunehmen hat, die durchschnittliche Häufigkeit der tatsächlichen Inanspruchnahme während der Bereitschaftszeiten ins Gewicht.
BAG, 27.07.2021 – 9 AZR 448/20 -, juris.
Das Vortäuschen einer Arbeitsunfähigkeit kann einen wichtigen Grund „an sich“ im Sinne von § 626 Abs. 1 BGB darstellen, wenn der Arbeitnehmer unter Vorlage eines Attests der Arbeit fernbleibt und sich Entgeltfortzahlung gewähren lässt, obwohl es sich in Wahrheit nur um eine vorgetäuschte Erkrankung handelt. Der ärztlichen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung kommt ein hoher Beweiswert zu. Dieser ist erschüttert, wenn die vom Arbeitgeber vorgetragenen Tatsachen zu ernsthaften Zweifeln an der bescheinigten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung Anlass geben. Solche Tatsachen können u.a. die Erteilung einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ohne Untersuchung nur nach telefonischer Rücksprache oder auch die abgesprochene, gemeinsame Krankschreibung mehrerer Mitarbeiter für die Dauer eines vom Arbeitgeber widerrufenden Betriebsurlaubes sein.
LAG Nürnberg, 27.07.2021 – 7 Sa 359/20 -, juris.
Dem Betriebsrat steht bei der Einführung einer elektronischen Zeiterfassung ein Initiativrecht zu (Abweichung BAG, Beschluss vom 28.11.201989, 1 ABR 97/88).
LAG Hamm, 27.07.2021 – 7 TaBV 79/20 -, juris.
Die Nichteinhaltung von vorgegebenen Arbeitszeiten oder auch die Verrichtung von privaten Tätigkeiten während der Arbeitszeit können an sich einen wichtigen Grund im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB darstellen.
LAG Rheinland-Pfalz, 03.08.2021 – 8 Sa 36/20 -, juris.
Gegen einen landesarbeitsgerichtlichen Beschluss, durch den über die Besetzung der Einigungsstelle i.S.v. § 100 ArbGG entschieden wurde, ist keine sofortige Beschwerde nach § 92b ArbGG gegeben.
BAG, 11.08.2021 – 1 AZB 24/21 -, juris.
Die Unwirksamkeit einzelner Regelungen einer Betriebsvereinbarung führt nicht notwendig zu deren Gesamtunwirksamkeit. Nach dem Rechtsgedanken des § 139 BGB ist eine Betriebsvereinbarung nur teilunwirksam, wenn der verbleibende Teil auch ohne die unwirksame Bestimmung eine sinnvolle und in sich geschlossene Regelung enthält. Ist eine Regelung in einer Betriebsvereinbarung zur Erhöhung der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit wegen Verstoßes gegen § 77 Abs. 3 Satz 1 BetrVG unwirksam, führt dies auch zur Unwirksamkeit der zeitgleich geschlossenen betrieblichen Vereinbarung über Arbeitszeitkontenregelungen, wenn diese untrennbar miteinander verknüpft sind und somit keine sinnvolle und in sich geschlossene praktikable Regelung mehr darstellen.
BAG, 17.08.2021 – 1 AZR 175/20.
Das Verfälschen über das eigene Arbeitsverhältnis erstellter Abrechnungen zwecks Täuschung eines Kreditgebers kann die persönliche Eignung des Arbeitnehmers für die ihm übertragenen Aufgaben jedenfalls dann infrage stellen, wenn im Rahmen einer kaufmännischen Tätigkeit gerade die Vertragsanbahnung zu den Arbeitsaufgaben gehört. Das Herstellen verfälschter Abrechnungen und deren Verwendung im Rechtsverkehr verletzt zugleich die gegenüber dem Arbeitgeber begründete Rücksichtnahmepflicht aus § 241 Abs. 2 BGB. Ein derartiges Verhalten kann unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls eine außerordentliche Kündigung rechtfertigen.
LAG Hamm, 19.08.2021 – 8 Sa 1671/19 -, juris.
Ein grober Verstoß gegen gesetzliche Pflichten im Sinne von § 23 Abs. 1 BetrVG liegt dann vor, wenn die Pflichtverletzung objektiv erheblich und offensichtlich schwerwiegend ist. Dies kann nur unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles, insbesondere den betrieblichen Gegebenheiten und des Anlasses der Pflichtverletzung beurteilt werden. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Auflösung des Betriebsrats eine besonders einschneidende Sanktion ist. Dementsprechend ist ein grober Verstoß des Betriebsrats nur anzunehmen, wenn unter Berücksichtigung aller Umstände die weitere Amtsausübung des Betriebsrats untragbar erscheint.
Um eine Auflösung des Betriebsrats zu rechtfertigen, muss eine Pflichtverletzung des Betriebsrats als Organ vorliegen. Begehen einzelne oder alle Betriebsratsmitglieder parallel Pflichtverletzung, die nicht auf einen gemeinsamen Beschluss des Betriebsrats als solchem beruhen, kommt nur ein Ausschlussverfahren, nicht die Auflösung des Betriebsrats in Betracht. Dabei kann eine grobe Pflichtverletzung des Betriebsrats als Organ auch gegeben sein, wenn der Betriebsrat gesetzwidriges Verhalten einzelner Mitglieder oder seiner Ausschlüsse belegt oder unterstützt.
Der Grundsatz der vertrauensvollen Zusammenarbeit ist Maßstab dafür, wie die Betriebsparteien ihre gegenseitigen Rechte und Pflichten wahrzunehmen und auszuüben haben. Sie müssen dabei auch auf die Interessen der anderen Betriebsparteien Rücksicht nehmen. Damit geht es letztlich um die Anwendung der Grundsätze von Treu und Glauben auch im Rahmen der Betriebsverfassung.
Hessisches LAG, 23.08.2021 – 16 TaBV 3/21 – juris.
Der Arbeitnehmer, der rechtswidrige und vorsätzliche -gegebenenfalls strafbare -Handlungen bei oder im Zusammenhang mit seiner Arbeit begeht, verletzt zugleich in schwerwiegender Weise seine schuldrechtliche Pflicht zur Rücksichtnahme und missbraucht das in ihn gesetzte Vertrauen. Ein solches Verhalten kann auch dann einen wichtigen Grund zur Kündigung darstellen, wenn die rechtswidrige Handlung nur geringfügigen, möglicherweise zu keinem Schaden geführt hat.
LAG Düsseldorf, 24.08.2021 – 14 Sa 190/21 – juris.
Gestattet ein Arbeitgeber einem Arbeitnehmer, seine Tätigkeit als Grafiker von zu Hause aus zu erbringen, ist der gemäß § 106 Satz 1 GewO berechtigt, seine Weisung zu ändern, wenn sich später betriebliche Gründe herausstellen, die gegen eine Erledigung von Arbeiten im Home-Office sprechen.
Ein Arbeitnehmer hat grundsätzlich keinen Anspruch darauf, an seinem Wohnsitz seine arbeitsvertraglich geschuldete Tätigkeit zu erbringen.
LAG München, 26.08.2021 – 3 SaGa 13/21 – juris.
Wird dem Arbeitsvertrag eines Piloten mit einer international agierenden Fluggesellschaft kein konkreter Arbeitsort festgelegt und eine unternehmensweite Verletzbarkeit vereinbart, so kann der Pilot auch im Wege des Direktionsrechts an eine ausländische „Basis“ versetzt werden.
LAG Nürnberg, 31.08.2021 – 4 Sa 44/21 – juris.
Kommt ein Arbeitnehmer an drei von vier aufeinander folgenden Arbeitstagen erheblich zu spät oder gar nicht zur Arbeit, kann dies je nach den Umständen des Einzelfalls den Rückschluss auf ein hartnäckiges und uneinsichtiges Fehlverhalten zu lassen, sodass es vor Ausspruch einer Kündigung keiner ausdrücklichen Abmahnung mehr bedarf. Eine ordentliche Kündigung ist sozial gerechtfertigt, wenn wegen der ersten Verspätung ausdrücklich eine mündliche Abmahnung er-teilt wurde, auch wenn das Arbeitsverhältnis bereits mehr als 13 Jahre bestanden hat.
LAG Schleswig-Holstein, 31.08.2021 – 1 Sa 70 öD/21.
Das LAG Köln hat entschieden, dass die Amtszeit der Scherbehindertenvertretung endet, wenn der Schwerbehinderte gem. § 177 Abs. 1 SGB IX unterschritten wird.
LAG Köln, 31.08.2021 – 4 TaBV 19/21 – juris.
Ein unter Verletzung der dreimonatigen Mindestankündigungsfrist gestellter Antrag auf zeitlich begrenzte Verringerung der Arbeitszeit nach § 9 a TzBfG kann nicht ohne Weiteres als ein zum frühestmöglichen Zeitpunkt wirkendes Angebot verstanden werden. Eine solche Auslegung ist nur möglich, wenn der Arbeitgeber aufgrund greifbarer Anhaltspunkte erkennen kann, ob der Arbeitnehmer die „Brückenteilzeit“ verkürzen oder verschieben möchte.
BAG, 07.09.2021 – 9 AZR 595/20 -, juris.
Kündigt ein Arbeitnehmer sein Arbeitsverhältnis und wird er am Tag der Kündigung arbeitsunfähig krankgeschrieben, kann dies den Beweiswert der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung insbesondere dann erschüttern, wenn die bescheinigte Arbeitsunfähigkeit passgenau die Dauer der Kündigungsfrist umfasst.
BAG, 08.09.2021 – 5 AZR 149/21 – (BAG-Pressemitteilung Nr.15/21)