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IV./2019 Newsletter Arbeitsrecht

Bei Verhandlungen über den Abschluss eines Aufhebungsvertrages kann eine Seite gegen ihre Verpflichtungen aus § 241 Abs. 2 verstoßen, wenn sie eine Verhandlungssituation herbeiführt oder ausnutzt, die eine unfaire Behandlung des Vertragspartners darstellt. Das Gebot fairen Verhandelns wird missachtet, wenn die Entscheidungsfreiheit des Vertragspartners in zu missbilligender Weise beeinflusst wird. Es geht dabei nicht um ein Erfordernis der Schaffung einer für den Vertragspartner besonders angenehmen Verhandlungssituation, sondern um das Gebot eines Mindestmaßes an Fairness im Vorfeld des Vertragsabschlusses. Eine rechtlich zu missbilligende Einschränkung der Entscheidungsfreiheit ist noch nicht gegeben, nur weil der eine Auflösungsvereinbarung anstrebende Arbeitgeber dem Arbeitnehmer weder eine Bedenkzeit noch ein Rücktritts- oder Widerrufsrecht einräumt. Eine Verhandlungssituation ist vielmehr erst dann als unfair zu bewerten, wenn eine psychische Drucksituation geschaffen oder ausgenutzt wird, die eine freie und überlegte Entscheidung des Vertragspartners erheblich erschwert oder sogar unmöglich macht. Dies kann durch die Schaffung besonders unangenehmer Rahmenbedingen, die erheblich ablenken oder sogar den Fluchtinstinkt wecken, geschehen. Denkbar ist auch die Ausnutzung einer objektiv erkennbaren körperlichen oder psychischen Schwäche oder unzureichender Sprachkenntnisse. Die Ausnutzung eines Überraschungsmoments kann ebenfalls die Entscheidungsfreiheit des Vertragspartners beeinträchtigen (Überrumplung). Letztlich ist die konkrete Situation im jeweiligen Einzelfall als Maßstab des § 241 Abs. 2 BGB zu bewerten und von einer bloßen Vertragsreue abzugrenzen. Liegt ein schuldhafter Verstoß gegen das Gebot fairen Verhandelns i.S. einer Nebenpflichtverletzung gem. § 241 Abs. 2 BGB vor, ist der Aufhebungsvertrag im Regelfall unwirksam.

BAG, Urteil vom 07.02.2019 – 6 AZR 75/18 – juris.

 

Das ArbG Siegburg hat entschieden, dass ein Postzusteller, der seinen Transporter auf einer abschüssigen Straße nicht durch Handbremse und Gangeinlegung sichert, dem Arbeitgeber für den entstandenen Schaden haftet, wenn das Fahrzeug dadurch wegrollt.

ArbG Siegburg, Urteil vom 11.04.2019 – 1 Ca 2225/18 – (Pressemitteilung Nr. 6/2019)

 

Verwendet eine abstrakt-generelle Regelung (hier ein Tarifvertrag) den Begriff „vorausgehendes Beschäftigungsjahr“ sind damit grundsätzlich die vorausgehenden 365 Tage des Beschäftigungsverhältnisses gemeint und nicht etwa das vorausgehende vom 01.01. bis 31.12. reichende Kalenderjahr.

LAG Köln, Urteil von 12.09.2019 – 6 Sa 242/19 –, juris

 

Das Arbeitsgericht Solingen hat auf Antrag der Arbeitgeberin und auf Antrag von mehr als einem Viertel der Belegschaft den im Betrieb gebildeten 13-köpfigen  Betriebsrat aufgelöst.

ArbG Solingen, 04.10.2019 – 1 BV 27/18 – (Pressestelle@arbG-solingen.nrw.de)

 

Nach § 14 Arbeitnehmer-Entsendegesetz haftet ein Unternehmer, der einen anderen Unternehmer mit der Erbringung von Werk- oder Dienstleistungen beauftragt, für dessen Verpflichtung zur Zahlung des Mindestentgelts an seine Arbeitnehmer wie ein Bürge, der auf die Einrede der Vorausklage verzichtet hat. Dieser Haftung unterliegen allerdings nicht Unternehmer, die lediglich als bloße Bauherren eine Bauleistung in Auftrag geben. Von der Bürgenhaftung erfasst wird nur der Unternehmer, sich zur Erbringung einer Werk- oder Dienstleistung verpflichtet hat und diese nicht mit eigenen Arbeitskräften erledigt, sondern sich zur Erfüllung seiner Verpflichtung eines oder mehrerer Subunternehmer bedient. Wer lediglich als Bauherr den Auftrag zur Errichtung eines Gebäudes für den betrieblichen Eigenbedarf an einen Generalunternehmer erteilt und damit nicht die Erfüllung eigener Verpflichtungen als Subunternehmer weitergibt, unterfällt der Bürgenhaftung nicht.

BAG, Urteil vom 16.10.2019 – 5 AZR 241/18 – (Pressemitteilung Nr. 31/19)

 

Arbeitgeber, die als Verleiher Leiharbeitnehmer an einen Dritten überlassen, können vom Grundsatz der Gleichstellung („Equal-Pay“) kraft arbeitsvertraglicher Vereinbarung nach § 9 Nr. 2 Halbs. 3 AÜG a.F. nur dann abweichen, wenn für den Entleihzeitraum das einschlägige Tarifwerk für die Arbeitnehmerüberlassung aufgrund dieser Bezugnahme vollständig und nicht nur teilweise anwendbar ist.

BAG, Urteil vom 16.10.2019 – 4 AZR 66/18 – (Pressemitteilung Nr. 33/19)

 

Das LAG Hamm hat entschieden, dass die Sparkasse Herne einer heute 54-järigen Mitarbeiterin, die in einem angelieferten Geldkoffer nach eigener Darstellung nur je eine Packung Babynahrung und Waschpulver vorgefunden hatte, zu Recht außerordentlich fristlose gekündigt hat.

LAG Hamm, Urteil vom 25.10.2019 – (Pressemitteilung des Ministeriums der Justiz des Landes Nordrhein-Westfalen vom 24.10.2019)

 

Bei der Kirchlichen Arbeits- und Vergütungsordnung (KAVO) handelt es sich um eine „wesentliche Vertragsbedingung“ im Sinne von § 2 Abs.1 Satz 1 NachwG, deren bloße arbeitsvertragliche Inbezugnahme nicht der erforderlichen Nachweispflicht genügt. Weist der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer die in der KAVO enthaltene Ausschlussfrist nicht im Volltext nach, kann der Arbeitnehmer gegebenenfalls im Wege des Schadensersatzes so gestellt werden, als ob er die Frist nicht versäumt hätte.

BAG, Urteil vom 30.10.2019 – 6 AZR 465/18 – (Pressemitteilung Nr. 36/19)

 

Der Erste Senat des BAG hat dem Antrag der Arbeitgeberin, mit dem diese einen Einigungsstellenspruch durch Mindestbesetzungen im Pflegedienst einer Klinik angefochten hat, stattgegeben, ohne über die Zulässigkeit von solchen Regelungen als Maßnahme des Gesundheitsschutzes zu entscheiden.

BAG, Beschluss vom 19.11.2019 – 1 ABR 22/18 – (Pressmitteilung Nr. 38/19)

 

Die Vereinbarung einer auf die Badesaison begrenzten Beschäftigung im unbefristeten Arbeitsvertrag eines in einem Freibad beschäftigten Arbeitsnehmers kann jedenfalls dann wirksam sein, wenn für den Arbeitnehmer außerhalb der Badesaison kein Beschäftigungsbedarf besteht.

Der Kläger war sein Juli 2000 bei der beklagten Gemeinde tätig. Nach dem Arbeitsvertrag vom 01.04.2006 wird der Kläger als vollbeschäftigter Arbeitnehmer jeweils für die Saison vom 01.04. bis zum 31.10. eines Kalenderjahres eingestellt. Der Kläger wurde seitdem in den Monaten April bis Oktober eines jeden Jahres beschäftigt und vergütet. Die Beschäftigung erfolgte nahezu ausschließlich im gemeindlichen Freibad als Badeaufsicht sowie mit der Reinigung und Pflege des Schwimmbads. Nach der vorliegenden Klage hat der Kläger die Feststellung begehrt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht durch Befristungsabrede vom 01.04.2006 am 31.10.2016 aufgelöst wurde und dass das Arbeitsverhältnis über den 31.10.2016 hinaus als unbefristetes Arbeitsverhältnis besteht.

Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Die Revision des Klägers hatte von dem Siebten Senat des BAG keinen Erfolg. Die Parteien haben in dem Vertrag vom 01.04.2006 nicht eine Vielzahl befristeter Arbeitsverhältnisse für die künftigen Jahre vereinbart. Vielmehr ist das Arbeitsverhältnis unbefristet, lediglich die Arbeits- und Vergütungspflicht ist auf die Monate April bis Oktober eines jeden Jahres begrenzt. Diese Vereinbarung ist wirksam. Der Kläger wird dadurch nicht nach § 307 Abs. 1 BGB unangemessen benachteiligt, da die Beklagte bei Abschluss des Arbeitsvertrages davon ausgehen durfte, nur während der Badesaison Beschäftigungsbedarf für den Kläger zu haben.

BAG, Urteil vom 19.11.2019 – 7 AZR 582/17 – (Pressemitteilung Nr. 39/19)

 

Eine Freistellung in einem gerichtlichen Vergleich erfüllt den Anspruch des Arbeitnehmers auf Freizeitausgleich zum Abbau des Arbeitszeitkontos nur dann, wenn in dem Vergleich hinreichend deutlich zum Ausdruck kommt, dass mit der Freistellung auch ein Positivsaldo auf dem Arbeitszeitkonto ausgeglichen werden soll. Dem genügt die Klausel, der Kläger werde unwiderruflich von der Pflicht zur Erbringung der Arbeitsleistung freigestellt, nicht. Endet das Arbeitsverhältnis und können Gutstunden auf dem Arbeitszeitkonto nicht mehr durch Freizeit ausgeglichen werden, sind sie vom Arbeitgeber in Geld abzugelten. Die Freistellung des Arbeitnehmers von der Arbeitspflicht in einem gerichtlichen Vergleich ist nur dann geeignet, den Anspruch auf Freizeitausgleich zum Abbau von Gutstunden auf dem Arbeitszeitkonto zu erfüllen, wenn der Arbeitnehmer erkennen kann, dass der Arbeitgeber ihn zur Erfüllung des Anspruchs auf Freizeitausgleich von der Arbeitspflicht freistellen will. Daran fehlt es vorliegend. In dem gerichtlichen Vergleich ist weder ausdrücklich noch konkludent hinreichend deutlich festgehalten, dass die Freistellung auch dem Abbau des Arbeitszeitkontos diene bzw. mit ihr der Freizeitausgleichsanspruch aus dem Arbeitszeitkonto erfüllt sein soll.

BAG, Urteil vom 20.11.2019 – 5 AZR 587/18 – (Pressemitteilung Nr. 40/19)

 

Kann ein Arbeitnehmer vom Arbeitgeber im Wege des Schadensersatzes Erstattung der Kosten verlangen, die ihm durch die Benutzung seines privaten PKWs entstanden sind, können die Tatsachengerichte bei der Schätzung nach § 287 Abs. 1 ZPO die Regelungen des Justizvergütungs- und Entschädigungsgesetzes (JVEG) über den Fahrkostenersatz heranziehen, wonach für jeden gefahrenen Kilometer ein Kilometergeld in Höhe von 0,30 € zu zahlen ist.

BAG, Urteil vom 28.11.2019 – 8 AZR 125/18 – (Pressemitteilung Nr. 42/19)

 

Zugunsten des Arbeitgebers greift gegenüber dem Schadensersatzverlangen eines Beschäftigten, der in Folge eines Versicherungsfalles einen Personenschaden erlitten hat, das Haftungsprivileg nach § 104 Abs. 1 S. 1 SGB VII ein, es sei denn, der Arbeitgeber hat den Versicherungsfall vorsätzlich herbeigeführt oder auf einem nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 – 4 SGB VII versicherten Weg (Wegeunfall). Für die Annahme der vorsätzlichen Herbeiführung eines Versicherungsfalls ist ein „doppelter Vorsatz“ erforderlich. Der Vorsatz des Schädigers muss sich nicht nur auf die Verletzungshandlung, sondern auch auf den Verletzungserfolg beziehen.

BAG, Urteil vom 28.11.2019 – 8 AZR 35/19 – (Pressmitteilung Nr. 43/19)

 

Der gesetzliche Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall ist auch dann auf die Dauer vom sechs Wochen beschränkt, wenn während bestehender Arbeitsunfähigkeit eine neue, auf einem anderen Grundleiden beruhende Krankheit beruhende Krankheit auftritt, die ebenfalls Arbeitsunfähigkeit zur Folge hat (Grundsatz der Einheit des Verhinderungsfalls). Ein neuer Entgeltfortzahlungsanspruch entsteht nur, wenn die erste krankheitsbedingte Arbeitsverhinderung bereits zu dem Zeitpunkt beendet war, zu dem die weitere Erkrankung zur Arbeitsunfähigkeit führte. Ist der Arbeitnehmer krankheitsbedingt arbeitsunfähig und schließt sich daran in engem zeitlichem Zusammenhang eine im Weg der „Erstbescheinigung“ attestierte weitere Arbeitsunfähigkeit an, hat der Arbeitnehmer im Streitfall darzulegen und zu beweisen, dass die vorangegangene Arbeitsunfähigkeit im Zeitpunkt des Eintritts der weiteren Arbeitsverhinderung geendet hatte.

BAG, Urteil vom 11.12.2019 – 5 AZR 505/18 – (Pressemitteilung Nr. 45/19)

 

Geht ein Arbeitsverhältnis kraft Gesetzes von der Bundesagentur für Arbeit auf eine Optionskommune über, finden nach § 6c Abs. 3 S. 2 SGB II ausschließlich die bei dem übernehmenden Rechtsträger geltenden Tarifverträge Anwendung. Diese gesetzliche Geltungsanordnung verdrängt arbeitsvertragliche Bezugnahmeklauseln auf die Tarifverträge der Bundesagentur für Arbeit.

BAG, Urteil vom 11.12.2019 – 4 AZR 310/16 – (Pressemitteilung Nr. 46/19)

 

Die Rechtskraft einer Entscheidung, mit der eine Kündigungsschutzklage abgewiesen wurde, schließt grundsätzlich etwaige Ansprüche des Arbeitnehmers auf Ersatz entgangenen Verdienstes sowie entgangener Rentenansprüche aus. Etwas anderes kann ausnahmsweise bei einer vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung i.S.v. § 826 BGB durch den Kündigenden in Betracht kommen.

BAG, Urteil vom 19.12.2019 – 8 AZR 511/18 – (Pressemitteilung Nr. 47/19)

 

Eine unmittelbare Benachteiligung wegen des Geschlechts kann nach § 8 Abs. 1 AGG in unionsrechtskonformer Auslegung nur zulässig sein, wenn es um den Zugang zur Beschäftigung einschließlich der zu diesem Zweck erfolgenden Berufsbildung geht und ein geschlechtsbezogenes Merkmal aufgrund der Art einer bestimmten beruflichen Tätigkeit oder der Bedingungen ihrer Ausübung eine wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung darstellt, sofern es sich um einen rechtmäßigen Zweck und eine angemessene Anforderung handelt.

BAG, Urteil vom 19.12.2019 – 8 AZR 2/19 – (Pressemitteilung Nr. 48/19)

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