III./2018 Newsletter Arbeitsrecht

Konzernbetriebsrat – Konzernspitze im Ausland

Nach § 54 Abs. 1 S. 1, § 54 Abs. 2 BetrVG kann für einen Konzern i. S. v. § 18 Abs. 1 AktG durch Beschlüsse der Gesamtbetriebsräte bzw. Betriebsräte ein Konzernbetriebsrat errichtet werden. Hat das herrschende Unternehmen seinen Sitz im Ausland und besteht keine im Inland ansässige Teilkonzernspitze, die über wesentliche Entscheidungsbefugnisse in personellen, sozialen und wirtschaftlichen Angelegenheiten verfügt, kann ein Konzernbetriebsrat nicht errichtet werden.

BAG, Beschluss vom 23.05.2018 – 7 ABR 60/16 – (Pressemitteilung Nr. 25/18)

 

Verbot mehrfacher sachgrundloser Befristung grundsätzlich verfassungsgemäß; Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zur Verbotsausnahme bei mehr als drei Jahren zurückliegendem Arbeitsverhältnis mit dem Grundgesetz nicht vereinbar

Das Bundesverfassungsgericht hat in zwei Beschlüssen vom 06.06.2018 die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zu § 14 Abs. 2 Satz 2 Teilzeit- und Befristungsgesetz für mit dem Grundgesetz nicht vereinbar erklärt. Das Bundesarbeitsgericht hatte im Urteil vom 06.04.2011, Az. 7 AZR 716/09 das eine sachgrundlose Befristung unzulässig machende Verbot der sogenannten Vorbeschäftigung im Wege richterlicher Rechtsfortbildung konkretisiert. Das Bundesarbeitsgericht hat insofern aus dem Sinn und Zweck des Verbotes hergeleitet, dass eine mehr als drei Jahre zurückliegende Vorbeschäftigung eine erneute sachgrundlose Befristung eines Arbeitsverhältnisses nicht gem. § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG unzulässig macht. Das Bundesverfassungsgericht hat in seinen Beschlüssen vom 06.06.2018 festgestellt, dass das Bundesarbeitsgericht dadurch die Grenzen richterlicher Rechtsfortbildung überschritten hat. Zwar können die Fachgerichte mit Rücksicht auf den Sinn und Zweck einer gesetzlichen Regelung in Ausnahmefällen den Anwendungsbereich einer Norm einschränken. Da der Gesetzgeber sich mit § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG nach dem klar erkennbaren Regelungskonzept gegen eine zeitliche Festlegung im Hinblick auf das Verbot der Vorbeschäftigung entschieden habe, habe das Bundesarbeitsgericht die Grenzen richterlicher Rechtsfortbildung überschritten, indem es einen festen Zeitraum von drei Jahren für die Unschädlichkeit einer Vorbeschäftigung angenommen habe.

 

Das Bundesverfassungsgericht hat des Weiteren entschieden, dass in besonderen Ausnahmefällen, allerdings ohne zeitliche Festlegung, eine Einschränkung des Anwendungsbereichs des § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG durch die Fachgerichte im Wege der Auslegung zulässig sein kann. Auf die bisherige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts kann dabei allerdings nicht mehr zurückgegriffen werden.

Beschlüsse des Bundesverfassungsgerichts vom 06.06.2018 in den Verfahren 1 BvL 7/14 und 1 BvR 1375/14; Pressemitteilung des Bundesverfassungsgerichts Nr. 47/2018 vom 13.06.2018

 

Hemmung einer Ausschlussfrist wegen Vergleichsverhandlungen

Verlangt eine arbeitsvertragliche Ausschlussfristenregelung, dass ein Anspruch aus dem Arbeitsverhältnis zur Vermeidung seines Verfalls innerhalb einer bestimmten Frist gerichtlich geltend gemacht werden muss, ist die Ausschlussfrist in entsprechender Anwendung des § 203 S. 1 BGB gehemmt, solange die Parteien vorgerichtliche Vergleichsverhandlungen führen. Der Zeitraum, während dessen die Vergleichsverhandlungen andauern, wird entsprechend § 209 BGB in die Ausschlussfrist nicht eingerechnet. § 203 S. 2 BGB, der bestimmt, dass die Verjährung frühestens drei Monate nach dem Ende der Hemmung eintritt, findet auf arbeitsvertragliche Ausschlussfristen keine entsprechende Anwendung.

BAG, Urteil vom 20.06.2018 – 5 AZR 262/17 – (Pressemitteilung Nr. 32/18)

 

Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall – gesetzlicher Mindestlohn – Ausschlussfristen

Die Geltendmachung des Anspruchs auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall nach § 3 Abs. 1 EFZG kann trotz seiner Unabdingbarkeit (§ 12 EFZG) grundsätzlich einer tariflichen Ausschlussfrist unterworfen werden. Eine tarifliche Ausschlussfrist ist jedoch nach § 3 S. 1 MiLoG insoweit unwirksam, wenn sie auch den während der Arbeitsunfähigkeit nach § 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1 EFZG fortzuzahlenden gesetzlichen Mindestlohn erfasst. Das BAG hat deswegen der Klage eines Arbeitnehmers trotz Geltung des allgemeinverbindlichen BRTV-Bau und Nichteinhaltung der in dessen § 14 geregelten Ausschlussfrist insoweit stattgegeben, als der gesetzliche Mindestlohn betroffen war. Der über den Mindestlohn hinausgehende Anteil sei hingegen verfallen. Der Anspruch folgt jedoch nicht unmittelbar aus § 1 MiLoG, weil nach dieser Bestimmung der Mindestlohn nur für tatsächlich geleistete Arbeit zu entrichten ist. Da der Arbeitnehmer im Fall der Arbeitsunfähigkeit jedoch so zu stellen ist, als hätte er gearbeitet, bleibt ihm auch der Mindestlohn als untere Grenze des fortzuzahlenden Entgelts erhalten. Zugleich gebietet es der Schutzzweck des § 3 S. 1 MiLoG, nach Maßgabe dieser Norm den Entgeltfortzahlungsanspruch in Höhe des gesetzlichen Mindestlohns entsprechend zu sichern. Das hat zur Folge, dass Vereinbarungen, welche die Geltendmachung des fortzuzahlenden Mindestlohns im Sinne des § 3 S. 1 MiLoG beschränken, insoweit unwirksam sind. Zu solchen Vereinbarungen gehören nicht nur arbeitsvertragliche, sondern auch tarifliche Ausschlussfristen. Anders als bei Ausschlussfristen, die arbeitsvertraglich in Allgemeinen Geschäftsbedingungen vereinbart sind, unterliegen Tarifregelungen gemäß § 310 Abs. 4 S. 1 BGB indes keiner Transparenzkontrolle.

BAG, Urteil vom 20. Juni 2018 – 5 AZR 377/17 – (Pressemitteilung Nr. 33/18)

 

Berechtigung zum Streik für den Abschluss eines Tarifsozialplanes

Nach Auffassung des Landesarbeitsgerichts Frankfurt darf nach der Rechtsprechung des BAG um den Abschluss eines Tarifsozialplanes gestreikt werden. In dem zugrunde liegenden Verfahren hat das Gericht den Antrag des Arbeitgebers, wonach der Streik nach einem Tarifsozialplan untersagt werden solle, abgelehnt. Die Arbeitnehmer der Betriebe der Arbeitgeberin in Leipzig und Saarbrücken streiken seit ca. vier Wochen. Nach dem zugrunde liegenden Streikaufruf wollen sie damit Ausgleichsleistungen für den Verlust der Arbeitsplätze wegen der angekündigten Werkschließung in Leipzig erreichen. Bereits das ArbG Frankfurt hatte es in einem Eilverfahren abgelehnt, den Streik zu untersagen. Dem hat sich das LAG Frankfurt angeschlossen. Es könne nicht unterstellt werden, dass tatsächlich andere, unzulässige Streikziele verfolgt würden. Die Arbeitgeberin hätte in den Eilverfahren geltend gemacht, die IG Metall wolle in erster Linie einen bestimmten Gesellschafter der Arbeitgeberin treffen und eine Schließung des Werkes in Leipzig verhindern. Nach seiner Entscheidung habe das LAG nicht vorab zu bewerten, ob die Streikforderungen sich in einem angemessenen und wirtschaftlich vertretbaren Rahmen bewegten. Der Streik sein auch nicht unverhältnismäßig, da er geführt werden müsse, um Verhandlungen über einen Ausgleich für den Arbeitnehmer zu erreichen, die ihren Arbeitsplatz durch die Schließung des Leipziger Betriebes verlieren werden. Es sei der Behauptung der Arbeitgeberin, der Streik werde wirtschaftlich existenzvernichtend geführt, nicht zu folgen.

Gegen die Entscheidung des LAG Frankfurt kann das BAG nicht angerufen werden. Eine Revision ist in Verfahren des einstweiligen Rechtschutzes nicht zulässig.

LAG Frankfurt, Urteil vom 16.07.2018 – 16 SaGa 933/18 – Pressemitteilung vom 16.07.2018 Nr. 6/18)

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