Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat sich in seinem Urteil vom 18.07.2013 (Az.: C-584/10 P, C-593/10 P und C-595/10 P) zu den Verfahrensrechten einer Person bei der Aufnahme in die sogenannten Terrorlisten geäußert.
Sachverhalt:
Durch eine Reihe von Resolutionen des Sicherheitsrates verpflichtet alle Mitgliedsstaaten der Vereinten Nationen, Gelder und andere finanzielle Vermögenswerte einzufrieren, welche unmittelbar oder mittelbar von Personen oder Organisationen kontrolliert werden, die mit Osama bin Laden, dem Al-Qaida-Netzwerk oder den Taliban in Verbindung stehen.
Zur Umsetzung dieser Resolution innerhalb der EU hat der Rat eine Verordnung erlassen, mit der das Einfrieren der Gelder und anderen wirtschaftlichen Vermögenswerte von Personen und Organisationen angeordnet wurde, deren Namen in einer Liste im Anhang dieser Verordnung aufgeführt sind. Diese Liste wird regelmäßig aktualisiert, um den Änderungen der vom Sanktionsausschuss – einem Organ des Sicherheitsrats – regelmäßig aktualisierten Liste nachzukommen.
Auf dieser Liste befindet sich auch eine in Saudi-Arabien lebende Person.
Im Jahr 2008 stellte der EuGH fest, dass die Unionsgerichte eine grundsätzlich umfassende Kontrolle der Rechtmäßigkeit von Handlungen der EU gewährleisten müssten. Zu diesen Handlungen der EU würden auch solche zählen, welche der Umsetzung von Resolutionen des Sicherheitsrates der UN dienen.
Aufgrund dessen entschied der EuGH, dass die Verordnung, mit der die in Saudi-Arabien lebende Person in die oben genannte Liste aufgenommen worden war, nichtig sei, da diese Verordnung mehrere Grundrechte verletze, welche der gelisteten Person nach dem Unionsrecht zustehen (Verteidigungsrechte, Recht auf effektiven gerichtlichen Rechtsschutz).
Daraufhin wurde der entsprechenden Person von der Europäischen Kommission die ihr (der Kommission) vom Sanktionsausschuss übermittelte Begründung für seine Aufnahme in die Liste zugesandt. Nach einer Stellungnahme durch die Person beschloss die Kommission in einer neuen Verordnung, den Namen auf der Liste zu belassen.
In Auslegung des obigen Urteils des EuGH erklärte das EuG (Gericht der Europäischen Union, ein eigenständiges, dem EuGH nachgelagertes europäisches Gericht), die neue Verordnung für nichtig, da es (das EuG) eine umfassende und strenge gerichtliche Kontrolle der Rechtmäßigkeit dieses Rechtsakts zu gewährleisten habe, welche sich auf die Informationen und Beweise erstrecke, auf denen die Begründung des Rechtsakts beruhe. Die entsprechenden Informationen und Beweise seien jedoch nicht übermittelt worden. Zudem seien die Angaben in der vom Sanktionsausschuss übermittelten Begründung insgesamt zu vage. Das EuG kam deshalb zu dem Ergebnis, dass die Verteidigungsrechte und das Recht auf effektiven gerichtlichen Rechtsschutz der gelisteten Person verletzt seien.
Die Kommission, der Rat und das Vereinigte Königreich fochten dieses Urteil an. Die eingelegten Rechtsmittel hat der EuGH jedoch zurückgewiesen.
Entscheidungsgründe:
Die zuständige Unionsbehörde müsse im Rahmen eines Verfahrens zur Aufnahme einer Person in der genannten Liste dieser Person die Umstände mitteilen, die ihrer Entscheidung zur Aufnahme zugrunde liegen. Der Betroffene müsse zumindest die vom Sanktionsausschuss übermittelte Begründung erhalten können. Zudem müsse die zuständige Unionsbehörde es dem Betroffenen ermöglichen, seinen Standpunkt in der Sache vorzutragen und sodann die Stichhaltigkeit der Gründe zur Aufnahme in der Liste im Licht seiner Stellungnahme prüfen. Hierbei müsse gegebenenfalls auch um Zusammenarbeit mit dem Sanktionsausschuss bzw. dem Uno-Mitgliedsstaat, der die Aufnahme in der Liste vorgeschlagen hat, gebeten werden, um an die notwendigen Informationen zu gelangen und somit eine unparteiische Prüfung der Stichhaltigkeit der fraglichen Gründe vorzunehmen zu können.
Ein Unionsrichter, der zu beurteilen habe, ob die Aufnahme einer Person in die Liste aufgrund dieser Gründe gerechtfertigt sei, könne von der zuständigen Unionsbehörde die Vorlage der entsprechenden Informationen und Beweise verlangen. Im Streitfall sei es nämlich Aufgabe der Behörde, nachzuweisen, dass die Gründe für die Aufnahme in der Liste stichhaltig seien. Nicht jedoch sei es Aufgabe des Betroffenen, den Nachweis zu bringen, dass die Gründe nicht stichhaltig seien. Sei es der zuständigen Unionsbehörde nicht möglich, diesem Verlangen nachzukommen, so habe sich der Richter allein auf die Angaben zu stützen, die ihm übermittelt wurden, etwa die Angaben in der vom Sanktionsausschuss übermittelten Begründung.
Würden die relevanten Informationen und Beweise hingegen übermittelt, müsse der Richter die Stichhaltigkeit der Gründe für die Aufnahme in der Liste auch anhand dieser Informationen und Beweise würdigen.
Zwar sei anzuerkennen, dass bestimmte Gründe (etwa zwingende Gründe der Sicherheit) eine der Übermittelung der Angaben entgegenstehen können. Dann jedoch habe der Unionsrichter die Stichhaltigkeit der Gründe zu prüfen, welche zur Ablehnung der Übermittelung der Informationen und Beweise angeführt werden.
Sehe der Richter sodann keinen Hinderungsgrund, diese Informationen zumindest teilweise an das Gericht zu übermitteln, und weigert sich die Behörde dennoch, so entscheidet der Richter allein anhand der Umstände, die dem Betroffenen mitgeteilt wurden.
Wenn hingegen deutlich werde, dass die von der Behörde angeführten Gründe einer Übermittelung tatsächlich entgegenstehen, so sei ein Ausgleich zu finden zwischen dem Recht auf effektiven gerichtlichen Rechtsschutz sowie den von der Behörde angeführten Gründen (wie etwa solche der Sicherheit). Es könne dann beispielsweise auf eine Übermittlung einer Zusammenfassung des Inhaltes der fraglichen Informationen oder Beweise zurückgegriffen werden. Unabhängig davon habe der Unionsrichter aber zu beurteilen, ob und inwieweit die Tatsache, dass die vertraulichen Informationen oder Beweise dem Betroffenen gegenüber nicht offengelegt werden und es ihm damit unmöglich sei, zu ihnen Stellung zu nehmen, die Beweiskraft der vertraulichen Beweise beeinflussen könne.
Im Rahmen seiner Kontrolle habe der Unionsrichter dann zu prüfen, ob die Gründe für eine Aufnahme in der genannten Liste Stichhaltig seien oder nicht.
Bewertung für die Praxis:
Die Entscheidung des EuGH bestätigt die bislang bestehende Rechtsprechung zur Listung auf Terrorlisten.