Exportkontrollrecht

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Exportkontrollrecht

Verurteilung wegen Ausfuhr von Pistolen aus Deutschland in die USA mit der Weiterlieferung nach Kolumbien ohne Genehmigung

LG Kiel, Urteil vom 03.04.2019m 3 KLs 3/18   

Mit Urteil vom 03.04.2019 hat das LG Kiel in dem „Sig Sauer – Prozess“ Ex-Manager des Unternehmens wegen Verstößen gegen die Exportkontrolle verurteilt. Grund dieser Verurteilung sind Ausfuhren von Pistolen in die USA mit anschließendem Re-Export nach Kolumbien. Zwar lagen den Ausfuhren Ausfuhrgenehmigungen des BAFA zugrunde. Diese jedoch wurden auf der Basis „Endverbleib USA“ erteilt. Das LG Kiel hatte nunmehr zu klären, wie die Ex-Manager für diese Verstöße strafrechtlich haften.

Gerade die „Haftung für Exportkontrollverstöße“ gehört in der Praxis immer wieder zu den Fragen, die von Verantwortlichen gestellt werden. Ich meine, dass es diesbezüglich einiges an rechtlicher Aufklärung bedarf. Das LG Kiel trägt mit seinem Urteil schulbuchhaft dazu bei und ist daher „Pflichtlektüre“ für alle Exportkontrollverantwortlichen.

 

Die vom LG Kiel für die Exportkontrolle geltenden (rechtlichen) Grundsätze sind laut Urteil vor allem:

  • Ein „Exportkontroll-System“ (ICP) muss gelebt werden. Nur das Vorhalten einer schriftlich verfassten „Exportkontroll-Anweisung“ reicht nicht. In dem Urteil heißt es: „Die Anweisung wurde in der Unternehmenspraxis – im konkreten Fall, aber auch generell – nicht gelebt; eine wirksame Exportkontrolle fand nicht statt.“
  • Strafrechtlich verantwortlich für eine ungenehmigte Ausfuhr ist, wer die Ware selbst über die Grenze befördert oder den Vorgang beherrscht. Eine mittelbare Beherrschung des Ausfuhrvorgangs genügt jedoch. Dies erfasst auch Unterlassen, also nicht einzuschreiten, obwohl eine Pflicht besteht. Diese Pflicht existiert für jeden Geschäftsführer eines Unternehmens, der für die Einhaltung der Gesetze verantwortlich ist und folglich einen Exportkontrollverstoß begeht, wenn er es für möglich hält, dass von den Mitarbeitern unzutreffende Ausfuhrgenehmigungsanträge gestellt werden und sich nicht um die Abbildung der tatsächlichen Genehmigungslage kümmert. Eine ungenehmigte Ausfuhr liegt insoweit auch dann vor, wenn die Bedingungen der Ausfuhrgenehmigung nicht eingehalten werden. Die Genehmigungsfähigkeit eines Ausfuhrvorgangs schließt den strafrechtlichen Vorwurf nicht aus; sie ist lediglich bei der Strafzumessung zu berücksichtigen.
  • Auf das Funktionieren des „Exportkontroll-Systems“ (ICP) darf sich der Ausfuhrverantwortliche (AV) nicht verlassen. Ist dort geregelt, dass ihm Ausfuhranträge vorzulegen sind, muss er dafür Sorge tragen, dass dies auch geschieht und einschreiten falls er feststellt, dass dies nicht umgesetzt wird.
  • Bei einer aus mehreren Personen bestehenden Geschäftsführung darf sich jeder Geschäftsführer darauf verlassen, dass sich der nach der internen Aufgabenverteilung zuständige Geschäftsführer um seinen Aufgabenbereich kümmert, also der Ausfuhrverantwortliche um Exportkontrolle. Das gilt allerdings nur, solange es keine Anhaltspunkte für eine ungenügende Aufgabenerfüllung gibt. Selbst bei ordnungsgemäßer Erfüllung der Aufgaben verbleibt es bei einer Überwachungspflicht des nicht vorrangig zuständigen Geschäftsführers. Insoweit verbleibt es bei der Verantwortlichkeit eines jeden Geschäftsführers bei Missständen einzuschreiten und der strafrechtlichen Verantwortlichkeit für Exportkontrollverstöße sofern er dies nicht tut.
  • Gewerbsmäßigkeit ist gegeben, wenn der Täter sich aus wiederholter Tatbegehung eine nicht nur vorübergehende, nicht ganz unerhebliche Einnahmequelle verschaffen will. Bei Einnahmen aus Ausfuhren ohne Genehmigung muss es sich also nicht um die angestrebte Haupteinnahmequelle handeln. Gewerbsmäßigkeit kann jedoch zweifelhaft sein, wenn in erster Linie legale Veräußerungsgeschäfte betrieben werden.
  • Gegenüber dem Unternehmen ist der aus den rechtswidrigen Ausfuhren erzielte Umsatz als Wertersatz einzuziehen. Dabei gilt das Bruttoprinzip.

 

Neben diesen rechtlichen Aussagen, die die aktuelle Rechts- und Rechtsprechungslage wiedergeben, enthält das Urteil aber auch Feststellungen, die nicht rechtlicher Art sind, sondern vielmehr den Unternehmen / Konzernen verdeutlichen, wie Verstöße dieser Art in der Praxis verhindert werden können. Dazu gehört meiner Ansicht nach:

  • Entscheidungen, die im Konzern von höchster Stelle getroffen werden, sind immer auch auf ihre exportkontrollrechtliche Relevanz zu prüfen. Dies gilt umso mehr, je komplexer und risikobehafteter grenzüberschreitende Geschäftsabläufe sind, was maßgeblich auch von der Anzahl der Beteiligten abhängt (hier: Sig Sauer Deutschland, Sig Sauer USA, US-amerikanische Behörde, Empfänger in Kolumbien) sowie der Ware (hier: Rüstungsgüter des Teils I Abschnitt A der Ausfuhrliste).
  • In den einzelnen Landesgesellschaften muss die Einhaltung der jeweils geltenden Exportkontrolle organisatorisch sichergestellt werden. Gerade bei Risiko-Geschäfte, wozu die Ausfuhr von Rüstungsgütern gehört, muss die Geschäftsführung ganz genau hinschauen und nicht nur ein „Exportkontroll-System“ (ICP) implementieren, sondern dieses auch befolgen. Arbeitsfehler und bei einer hohen Anzahl von Geschäften fahrlässig begangene Verstöße sind in der Praxis nicht auszuschließen. Die Grenze ist jedoch erreicht, wenn der Ausfuhrverantwortliche (AV) akzeptiert, dass die exportkontrollrechtlichen Prozesse von den organisatorischen Vorgaben abweichen bzw. die Abweichung ohne Einschreiten zulässt. Hätte der AV nämlich vorliegend die organisatorische Vorgabe, dass Ausfuhrgenehmigungsanträge ihm vorzulegen sind, berücksichtigt, wäre ihm aufgefallen, dass der Endverbleib USA nicht stimmt. Da er sich um die Einhaltung der Vorgabe nicht gekümmert hat, hat er den Exportkontrollverstoß billigend in Kauf genommen und damit vorsätzlich gehandelt. Nur zur Erinnerung: Einer Absicht bedarf es für ein vorsätzliches Verhalten nicht!
  • Zudem sollte jeder Verantwortliche und Mitarbeiter vollständige Kenntnis bezüglich der Geschäftsvorgänge haben. Dies gilt insbesondere auch für den Exportkontrollbeauftragten (EKB). Nur für den Fall, dass er umfassend informiert ist, kann er entsprechend der Exportkontrollgesetze agieren. Sofern eine hinreichende Delegation gegeben ist, ist er dazu schließlich auch verpflichtet und haftet auch insoweit.

In der hiesigen Angelegenheit hat der EKB übrigens alles richtig gemacht, indem er, nachdem er Kenntnis von dem Endverbleib in Kolumbien erfahren hat, jegliche Ausfuhrvorgänge gestoppt hat. Dieser Punkt ist übrigens nicht Gegenstand des Urteils. Insoweit hätte zugunsten der Angeklagten zumindest festgestellt werden können, dass das „Exportkontroll-System“ (ICP) zumindest insoweit funktionierte als das es dahingehend gelebt wurde, dass der EKB den Geschäftsablauf bis zur Klärung gestoppt hat.

 

Haben Sie Fragen zu dem Urteil oder der Organisation der Exportkontrolle im Unternehmen / im Konzern? Dann kontaktieren Sie uns gerne!

 

 

 

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