Zolldienstleister sind verschiedenen Rechtsgebieten „ausgesetzt“. Ihre Tätigkeit berührt vor allem das Zivilrecht und das Öffentliche Recht. Mit den Auftraggebern der Zollabfertigung werden zivilrechtliche Verträge geschlossen, Einfuhrabgaben werden nach den Bestimmungen des Zollrechts erhoben. Mit dieser Schnittstelle von Speditionsrecht und Zollrecht und den daraus resultierenden Sorgfaltspflichten eines Zolldienstleisters beschäftigt sich das Urteil des OLG München vom 26.04.2012 (AZ 23 U 1293/11).
Sachverhalt
Die Klägerin ist als Spedition und Zolldienstleisterin tätig. Die Beklagte handelt mit Natursteinen und liefert diese in die Schweiz. Für die Beklagte führte die Klägerin Verzollungsaufträge durch.
Bei der Lieferung von Natursteinen in die Schweiz besteht die Möglichkeit, eine Präferenzverzollung in Anspruch zu nehmen, die zu einer Reduzierung des Zolls auf null führt. Um eine solche Präferenzverzollung nutzen zu können, ist es notwendig, bei der Ausfuhr der Ware die für den Empfänger bestimmte Rechnung mit einer Erklärung zu versehen, die den EU-Ursprung der eingeführten Ware bestätigt und vom Ausführer der Ware unterzeichnet wird (Ursprungserklärung).
Im vorliegenden Fall wurden die Handelsrechnungen nicht vom Ausführer der Ware, der Beklagten, unterzeichnet, sondern beim Grenzübertritt in die Schweiz durch die LKW-Fahrer. Die weiteren Zollpapiere einschließlich der jeweiligen Zolltarifnummern wurden von der Klägerin erstellt, wobei dieser Rechnungen vorlagen, auf denen die Natursteine als „allseits gespalten“ bezeichnet wurden.
Die Eidgenössische Zollverwaltung leitete ein Untersuchungsverfahren ein mit der Begründung, dass die Ursprungserklärung vom Ausführer der Ware selbst zu unterschreiben sei. Eine Bevollmächtigung unternehmensfremder Personen sei nicht möglich. Gefordert wurde durch die Eidgenössische Zollverwaltung eine Nachverzollung von 565.000,00 CHF. Die Präferenz wurde aberkannt und es wurde davon ausgegangen, dass auch eine falsche Zolltarifnummer verwendet worden sein soll. Nach Einschaltung von Anwaltskanzleien wurde der Betrag auf 10.120,90 CHF reduziert, welcher von der Klägerin dann auch gezahlt wurde. Rechtsmittel wurden gegen die Nachverzollung nicht eingelegt. Zwar hielt die Klägerin das Verhalten der Eidgenössischen Zollverwaltung für rechtswidrig, unterließ es jedoch aus Kostenerwägungen, dagegen vorzugehen. Das Untersuchungsverfahren lief bei Urteilsverkündung noch und umfasste auch strafrechtliche Vorwürfe gegen die Klägerin.
Die Kosten der Nachverzollung, jene für die Inanspruchnahme von Anwälten wie auch interne Kosten (Reisekosten usw.), wollte die Klägerin nunmehr von der Beklagten erstattet bekommen. Nach erstinstanzlichem Urteil durch das Landgericht ging die Beklagte vor dem Oberlandesgericht (OLG) in Revision. Das OLG entschied, dass die Beklagte der Klägerin den vollen Nachverzollungsbetrag zu erstatten hat. Gleichsam hat die Beklagte der Schuldnerin die Kosten zu erstatten, die der Klägerin infolge des Untersuchungsverfahrens der Eidgenössischen Zollverwaltung entstanden sind und für die Herabsetzung des Nachverzollungsbetrages oder zur sachgerechten Verteidigung ihrer Organe und Mitarbeiter erforderlich waren. Diese Ansprüche wurden jedoch der Höhe nach auf 80 % begrenzt.
Entscheidungsgründe
Erstattung des Nachverzollungsbetrages
Die Klägerin kann von der Beklagten die Erstattung des Nachverzollungsbetrages gemäß §§ 675, 670 BGB verlangen. Die Tätigkeit als Grenzspediteur sei als Geschäftsbesorgung nach § 675 BGB zu qualifizieren. Im Rahmen dieser Geschäftsbesorgung habe die Klägerin Aufwendungen getätigt, indem sie den Verzollungsbetrag an die Zollverwaltung zahlte. Diese Aufwendung durfte sie auch als erforderlich ansehen. Auch die Beklagte habe keine Rechtsmittel gegen die Festsetzung einlegen wollen. Außerdem hafte nach Art. 70 Schweizerisches Zollgesetz neben der Klägerin auch die Beklagte für die Einfuhrabgaben.
Ein Schadensersatzanspruch der Beklagten gegen die Klägerin könne dem nicht entgegengehalten werden. Die Klägerin habe keine Pflichtverletzung bezüglich der Einleitung des Verfahrens durch die Eidgenössische Zollverwaltung begangen. Weder habe sie positive Kenntnis davon gehabt, dass die Eidgenössische Zollverwaltung eine Unterschrift durch firmenfremde Fahrer als unzulässig ansieht, noch war sie dazu verpflichtet, diesbezüglich weitergehende Nachforschungen anzustellen. Zudem sei zu berücksichtigen, dass die konkrete Abwicklung von der Beklagten so gewollt war und sie deshalb auch das Risiko der rechtlichen Zulässigkeit dieser Abwicklung trägt.
Erstattung sonstiger Kosten
Auch die Anwaltskosten können von der Klägerin nach §§ 675, 670 BGB als Zufallsschaden gefordert werden. Davon umfasst seien sowohl die anwaltlichen Kosten im Rahmen der Nachverzollung als auch die für die Verteidigung der Klägerin in strafrechtlicher Hinsicht.
Jedoch könne die Klägerin wegen Mitverschulden entsprechend § 254 BGB nur Erstattung von 80 % der entstandenen Kosten verlangen. Die Verwendung der falschen Zolltarifnummer liege hier im Verantwortungs- und Risikobereich der Klägerin. Die Klägerin habe die Zolltarifnummern für die Natursteine selbst herausgesucht und der Beklagten vorgeschlagen. Diese Tätigkeit gehöre zu den typischen Formalitäten der Verzollung, sodass sich die Beklagte darauf verlassen durfte, dass die vorgeschlagene Zolltarifnummer korrekt war. Da auf den Handelsrechnungen die Steine als „allseits gespalten“ bezeichnet wurden, war es ihr auch möglich, die richtigen Nummern herauszufinden.
Bezüglich der Reisekosten, die der Klägerin zur Abwehr der zu hohen Nachverzollung oder einer strafrechtlichen Verfolgung entstanden sind, sei ebenfalls ein Erstattungsanspruch unter den Voraussetzungen aus §§ 675, 670 BGB gegeben. Gleichsam stehe der Klägerin auch ein Anspruch auf Ersatz von 80 % der internen Kosten zu, die ihr durch die Freistellung von Organen oder Mitarbeitern entstanden sind und die im Rahmen des Untersuchungsverfahrens durch die Zollverwaltung zur Abwehr einer höheren Verzollung bzw. für die Verteidigung im Zollstrafverfahren notwendig waren.
Fazit für die Praxis:
Bei der Beauftragung eines Zolldienstleisters handelt es sich um einen gegenseitigen Vertrag, der sowohl für den Auftraggeber, als auch den Auftragnehmer (Zolldienstleister) Rechte und Pflichten auslöst. Wem welche Pflichten bei der Vertragsdurchführung obliegen, wird mit diesem Urteil deutlich. Dabei ist stets zu berücksichtigen, dass es sich um eine Entscheidung im Einzelfall handelt. Das OLG München hat nämlich ebenso ausgeführt: “Zu einer Überprüfung der Beschaffenheit der Ware [Natursteine] war die Klägerin weder in der Lage noch verpflichtet. Eine Pflichtverletzung der Klägerin würde daher ausscheiden, soweit die Verwendung der falschen Zolltarifnummer auf einer falschen Angabe der Beklagten beruht hätte.“
Im Vorfeld können etwaige Missverständnisse über Verteilung der Pflichten durch die eindeutige vertragliche Fixierung der jeweiligen Pflichten verhindert werden. Haben Sie Fragen zu diesem Urteil und den Konsequenzen für die Praxis? Kontaktieren Sie uns! Mit unserem Team aus Zollrechtlern und Vertragsrechtlern sind wir eine kompetente Unterstützung!