Zollrecht

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Vollstreckung in eine Grundschuld durch einen in der Sanktionsliste der EU aufgeführten Gläubiger

In einem Beschluss vom 01.07.2015 (Aktenzeichen: 328 T 7/15) hat sich das Finanzgericht Hamburg mit der Vollstreckung in eine Grundschuld durch einen Gläubiger, der in der Sanktionsliste der EU aufgeführt ist, befasst.

 

Sachverhalt

Die Klägerin ist eine Bank aus dem Iran mit einer Zweigniederlassung in Deutschland. Sie ist – einschließlich ihrer Zweigstellen und Tochterunternehmen – im Anhang der Verordnung (EU) 267/2012 (im Folgenden: die Verordnung) aufgeführt. Dabei handelt es sich um eine (Finanz-)Sanktionsliste der EU. Die dortige Auflistung betrifft Einrichtungen, die an nuklearen Tätigkeiten oder Tätigkeiten im Zusammenhang mit ballistischen Flugkörpern beteiligt sind, sowie Einrichtungen, die die iranische Regierung unterstützen.

Die Klägerin beantragte beim Amtsgericht Hamburg-St. Georg aus einer Grundschuld, die zu ihren Gunsten im Grundbuch eingetragen war, die Anordnung der Zwangsversteigerung einer Wohnung. Dieser Antrag wurde von dem Amtsgericht jedoch zurückgewiesen. Zur Begründung führte es an, dass die Klägerin auf der Sanktionsliste der Europäischen Union geführt werde und sämtliche Vermögenswerte eingefroren seien. Die Verwertung der Grundschuld sei als Vermögensverwertung im Sinne dieser Finanz-Sanktionsliste zu werten. Ohne eine entsprechende Freigabeerklärung der Deutschen Bundesbank könne die Zwangsversteigerung nicht angeordnet werden.

Gegen diesen Beschluss legte die Klägerin sofortige Beschwerde ein mit der Begründung, dass eine Vermögensverwertung im Sinne der Finanz-Sanktionsliste nicht vorliege. Zwar sei die Grundschuld eine wirtschaftliche Ressource im Sinne der Verordnung, jedoch stelle der Antrag auf Anordnung der Zwangsversteigerung keine Verwendung der Grundschuld für den Erwerb von Geldern dar.

Das Amtsgericht half der Beschwerde nicht ab und legte die Sache der Kammer des Landgerichts Hamburg zur Entscheidung vor.

Das Landgericht Hamburg entschied, dass das Amtsgericht den Antrag auf Anordnung der Zwangsversteigerung zu Recht zurückgewiesen habe.

 

Entscheidungsgründe

Gemäß Art. 23 Abs. 2 der Verordnung werden sämtliche Gelder und wirtschaftlichen Ressourcen, die Eigentum oder Besitz der in Anhang aufgeführten Personen, Organisationen und Einrichtungen sind oder von diesen gehalten oder kontrolliert werden, eingefroren.

Einfrieren von wirtschaftlichen Ressourcen bedeutet nach Art. 1 lit. j) der Verordnung die Verhinderung ihrer Verwendung für den Erwerb von Geldern, Waren oder Dienstleistungen, die auch den Verkauf, das Vermieten oder das Verpfänden dieser Ressourcen einschließt, sich aber nicht darauf beschränkt.

Die Grundschuld stelle – dies wurde auch von der Klägerin nicht bestritten – eine wirtschaftliche Ressource im Sinne des Art. 23 Abs. 2 der Verordnung dar.

Nach Ansicht des Gerichts würde nun die Zwangsversteigerung des Grundstücks – und damit die tatsächliche Verwertung der Grundschuld – eine Verwendung nach Art. 1 lit. j) der Verordnung darstellen. Der Begriff des „Verwendens“ bedeute regelmäßig eine Sache oder ein Mittel für einen bestimmten Zweck zu benutzen oder anzuwenden. Die Begriffserklärung in Art. 1 lit. j) der Verordnung mache deutlich, dass durch das Einfrieren gerade verhindert werden solle, dass die gelistete Person oder Einrichtung durch die Hingabe ihrer wirtschaftlichen Ressource einen geldwerten Gegenwert erlangt. Durch die Verwertung der Grundschuld würde nun aber der Gläubigerin (= der Klägerin) mittelbar ein solcher geldwerter Gegenwert zufließen, und zwar in Form der Auskehr des Veräußerungserlöses.

Nach Ansicht des Gerichts greife auch nicht die Argumentation der Klägerin, dass der Antrag auf Anordnung der Zwangsversteigerung keine Verwendung der Grundschuld für den Erwerb von Geldern darstelle. Es sei nämlich gerade Sinn und Zweck einer Zwangsvollstreckung durch das Zwangsversteigerungsverfahren, eine Immobilie aufgrund eines Titels zu verwerten und den Erlös an den Gläubiger auszukehren. Somit habe die Grundschuld einen tatsächlichen wirtschaftlichen Wert, der aufgrund des Wortlautes der Verordnung gerade nicht durch die Klägerin als gelistete Einrichtung erlangt werden soll. Auch solle durch den Antrag zur Zwangsversteigerung die Grundschuld gerade ihrer bestimmungsgemäßen Verwendung zugeführt werden.

Das Gericht geht davon aus, dass der Begriff des Verwendens in Art. 1 lit. j) der Verordnung weit auszulegen sei und stützt dies auf die englischen und französischen Ausführungen der Verordnung, welche von einem umfassenden und weitreichenden Verwendungsbegriff ausgingen.

Ferner spreche auch Art. 23 Abs. 3 der Verordnung dafür, dass durch das streitgegenständliche europäische Regelwerk eine tatsächliche Verwertung der Grundschuld verhindert werden solle. Demnach dürfen den im Anhang der Verordnung genannten natürlichen und juristischen Personen, Organisationen und Einrichtungen weder unmittelbar noch mittelbar Gelder oder wirtschaftliche Ressourcen zur Verfügung gestellt werden oder zugutekommen. Es werde deutlich, dass dem Normgeber an einer weiten und umfassenden Verhinderung des Erwerbs jeglicher Gelder und wirtschaftlichen Ressourcen gelegen sei.

Folge man nun der Argumentation der Klägerin, wonach die Verwertung der Grundschuld durch die Verordnung nicht gehindert sei, so würde letztlich nach Versteigerung des Grundstücks ein Erlös an sie ausgekehrt werden. Hierdurch würden ihr allerdings entgegen der Wertung des Art. 23 Abs. 3 der Verordnung zumindest mittelbar Gelder zu Verfügung gestellt werden. Ein solcher Erwerb solle durch die Verordnung gerade unterbunden werden.

Das Landgericht stützt seine Auslegung des Art. 23 Abs. 2 der Verordnung auch auf historische und teleologische (nach dem Zweck der Normen fragende) Überlegungen.

Bezüglich der historischen Überlegungen verweist das Landgericht Hamburg auf Maßnahmen der Vereinten Nationen und der Europäischen Union, welche auf den Iran einwirken und ein militärisches Nuklearprogramm verhindern sollen.

Der Zweck der Norm wiederum – so das Landgericht – ergebe sich auch aus den in der Verordnung vorangestellten Erwägungsgründen, wonach Sinn und Zweck der Regelung sei, das Einfrieren von Vermögenswerten auf weitere Personen, Organisationen und Einrichtungen auszuweiten, die die iranische Regierung unter anderem finanziell, logistisch oder materiell unterstützen oder mit diesen Personen, Organisationen und Einrichtungen in Verbindung stehen, um so Umgehungsgeschäfte zu verhindern.

Sinn und Zweck der Norm würden aber unterlaufen, würde man dem Antrag auf Anordnung der Zwangsversteigerung durch die Klägerin entsprechen.

Auch die Berücksichtigung des Art. 29 Ab. 1 der Verordnung lasse kein anderes Ergebnis zu, da diese Norm auf Dreipersonenverhältnisse zugeschnitten sei (etwa dann gegeben, wenn Schuldner der Grundschuld, Gläubiger und Finanzinstitut personenverschiedenen sind), hier jedoch nur ein Zweipersonenverhältnis vorliege (da Klägerin als Gläubigerin und Finanzinstitut personenidentisch).

Somit sei der Antrag auf Anordnung der Zwangsversteigerung zu Recht durch das Amtsgericht zurückgewiesen worden.

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